Bürgergeld: Ab dem 20. des Monats gibts nur Kaffee

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Die Berechnung des Regelsatzes im Bürgergeld für ein sozioökonomisches Existenzminimum ist notwendigerweise abstrakt. Häufig wird von Betroffenen der Vorwurf erhoben, die Berechnungen seien weltfremd oder gar manipulativ verzerrt, so dass ein reales Leben auch mit dem Nötigsten nicht möglich sei.

Sozialexperimente fernab der sozialen Realität

Zugleich geistern „Sozialexperimente“ durch die Medien, in denen ansonsten Besser gestellte eine Zeitlang auf dem Niveau vom Bürgergeld leben und danach Tipps geben, wie das vermeintlich gut klappen könnte.

Das reale Leben real Betroffener streifen solche Experimente kaum. Die Experimentierenden, die Ratschläge geben, sind meist jung und gesund, in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt, haben keine psychischen Leiden oder reale Existenzängste.

Arbeitslos und erwerbsunfähig

Der Betroffene, Colin Graham, bezieht mit 63 Jahren eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 598 Euro, dazu 3,84 Euro Bürgergeld. Die Heizkosten und den Löwenanteil der Miete zahlt das Jobcenter, Graham zahlt 76 Euro dazu.

Graham war Zeitsoldat, wurde danach Werkschutzkraft und schließlich Projektassistent in Norderstedt, wurde gekündigt und findet seit 1998 keinen Job mehr.

Er lebt seit 26 Jahren in einer Ein-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Bad Bevensen. Graham sagt, am 20. des Monats habe er kein Geld mehr und lebe täglich nur noch von Kaffee.

Die ersten zwei Jahre brauchte Graham noch seine Ersparnissen auf, danach war er vom zuständigen Arbeitsamt abhängig. 2016 stürzte er und geht seitdem auf Krücken. Darum bezieht er eine volle Erwerbsunfähigkeitsrente.

Es reicht hinten und vorne nicht

Laut Graham war die Erhöhung der Sozialleistungen viel zu gering und kam zu spät. Ihm zufolge stieg sein Stromabschlag von 64 auf 116 Euro. Tomatensoße koste 1,20 Euro statt 85 Cent, und Fleischwurst statt unter fünf Euro jetzt acht Euro.

Fehlende Informationen

Laut der Allgemeinen Zeitung kommt bei Graham zur schwierigen finanziellen Situation auch noch fehlende Information. So würde der Betroffene mit einem teuren Taxi vom Supermarkt zurück fahren, da er wegen seiner Gehbehinderung den Einkauf nicht nach Hause tragen könne.

Es gebe in Bad Bevensen jedoch einen Bürgerbus, den auch Gehbehinderte nutzen könnten und der nahe an Grahams Wohnung halte.
Auch hätte Graham nicht gewusst, dass die Tafel in Bad Bevensen zweimal im Monat Lebensmittel an Bedürftige ausgebe.

Wut auf die CDU und keine Antwort von der SPD

Graham ist empört darüber, dass die CDU den Abstand zwischen Bürgergeld und kleinen Einkommen verringern möchte, indem sie am Bürgergeld sägt. Graham hält dies für realitätsfern und sagt „17, 3 Millionen Menschen sind von Armut betroffen. Tendenz steigend. Und jetzt diese unmögliche Bürgergeld-Erhöhung.“

Graham war regelmäßiger SPD-Wähler und schrieb einen Brief an die Sozialdemokraten, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Das ist und bleibt bitter.