Bürgergeld: Jobcenter verlangen jetzt rechtswidrige Angaben im Antrag

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Keine Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht über und von Mitbewohnern einer Wohngemeinschaft

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat im April 2025 neue Formulare zum erstmaligen Beantragen („Hauptantrag“) und für die Weiterbewilligung von Bürgergeld veröffentlicht.

Darin finden sich höchst relevante Änderungen für Antragsteller, die in einer Wohngemeinschaft (WG) leben. Denn es wird dort nicht mehr, wie bisher, nach einem Zusammenleben gefragt, sondern nach einem Zusammenwohnen. Und es werden im Weiterbewilligungsantrag Sozialdaten von Mitbewohnern erhoben.

Neuer Hauptantrag und Weiterbewilligungsantrag

Im neuen Hauptantrag wird unter „F. Wohnsituation“ gefragt: „Wohnen Sie allein?“ Darunter findet sich für Wohngemeinschaften ein entsprechender Unterpunkt zum Ankreuzen: „sonstige Personen (zum Beispiel andere Personen in einer Wohngemeinschaft)“. Mehr Angaben werden dort nicht verlangt.

Anders im Weiterbewilligungsantrag, dort wird unter „B. Angaben zur Wohnsituation“ die gleiche Frage gestellt: „Wohnen Sie allein?“, im Weiteren wird jedoch verlangt, Vorname, Nachname, Geburtsdatum und Verwandtschaftsverhältnis aller Personen anzugeben, mit denen der Antragsteller zusammenwohnt.

Im Fall einer Wohngemeinschaft gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Daten. Genau genommen gibt es überhaupt keine Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Daten beim Antragsteller, auch nicht bei einer Bedarfsgemeinschaft oder Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft.

Zwar weist die BA in den Ausfüllhinweisen zum Antrag unter „Hinweis 16“ darauf hin, dass eine reine Wohngemeinschaft weder eine Bedarfsgemeinschaft noch eine Haushaltsgemeinschaft ist, der lt. DSGVO zwingend erforderliche Hinweis, dass über Mitbewohner einer Wohngemeinschaft keine Angaben gemacht werden müssen, da das Jobcenter über diese keine Daten erheben darf, fehlt hier jedoch.

Es erschließt sich auch nicht, warum solche Daten zum gemeinsamen Wohnen in einem Weiterbewilligungsantrag erhoben werden, insbesondere da Daten über Partner und Kinder bereits mit dem Hauptantrag erhoben wurden.

Daten dürfen nur vom und über den jeweiligen Antragsteller erhoben werden

Für die Erhebung von Daten gilt § 67a Abs. 1 SGB X. Danach darf das Jobcenter nur Daten erheben, die es zu seiner Aufgabenerfüllung benötigt.

Im Rechtskreis des SGB II ist die Erhebung von Daten nach § 67a SGB X zudem auf solche über den jeweiligen Antragsteller begrenzt, denn Anspruchsinhaber der Leistungen des SGB II ist individuell jede Person nur für sich.

Das Jobcenter muss deshalb Auskunftsverlangen und Mitwirkungsaufforderungen immer an die Person richten, deren Daten es erheben will, bzw. an deren gesetzlichen Vertreter.

Das ist auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unbestritten (vgl. u.a. BSG in B 4 AS 78/08 R vom 01.07.2009, B 14 AS 87/09 R vom 24.02.2011).

Aus diesem Grund beinhaltet das SGB II mit § 60 Abs. 4 eine zusätzliche Regelung, mit welcher Partner des Antragstellers zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet werden.

Allerdings muss das Jobcenter zunächst eine solche Partnerschaft (im Sinne einer Wohn-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, so das BSG) mit dem Antragsteller zweifelsfrei feststellen, eine bloße Vermutung in Form einer Unterstellung reicht dazu nicht aus.

Das Jobcenter muss dazu mitteilen, warum es vom Vorliegen einer Partnerschaft ausgeht und dies mit geeigneten Beweisen begründen. Auch das ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (s.o.) unbestritten.

Die Vorgehensweise so mancher Jobcenter, bei einer Prüfung, ob eine solche Partnerschaft besteht oder nicht, eine Mitwirkung des Antragstellers bei der Erhebung von Daten über dessen mutmaßlichen Partner zu fordern, ist deshalb auch rechtswidrig, da sie in diesem Fall eine unzulässige Beweislastumkehr darstellt (vgl. u.a. BSG in B 14 AS 6/08 R vom 27.01.2009, B 4 AS 34/12 R vom 23.08.2012).

Die Erhebung von Daten über Mitbewohner einer Wohngemeinschaft ist rechtswidrig

Die Erhebung von Daten über Mitbewohner einer Wohngemeinschaft im Weiterbewilligungsantrag für Bürgergeld ist somit ganz klar rechtswidrig.

Ein Antragsteller, der Daten über seine Mitbewohner an das Jobcenter übermittelt, ohne von diesen ausdrücklich dazu ermächtigt worden zu sein, macht sich zudem strafbar, denn diese Handlung stellt einen Verstoß gegen den Sozialdatenschutz dar.

Antragsteller, die in einer Wohngemeinschaft wohnen und somit die Frage „Wohnen Sie allein?“ mit „Nein“ beantworten müssen, sollten hinter dieser Angabe handschriftlich „Ich wohne in einer Wohngemeinschaft“ ergänzen und keine Daten über Mitbewohner ohne deren nachweisliches Einverständnis an das Jobcenter weitergeben.