Bei Hartz IV oder Rente droht Stromsperre

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Viele Haushalte können sich die steigenden Strompreise nicht mehr leisten

29.04.2012

Immer mehr Menschen können die teuren Stromrechnungen nicht mehr bezahlen. Ganz besonders betroffen: Rentner und Bezieher von Hartz IV Leistungen. Allein im letzten Jahr sind die Strompreise um rund 10 Prozent gestiegen. Die Folge: Immer mehr Stromabschaltungen.

In Deutschland steigen massiv die Energiepreise. Im vergangenen Jahr 2011 sind die Strompreise im Durchschnitt um zehn Prozent gestiegen. Stromexperten vermuten, dass die Energiepreise auch in diesem Jahr um die selbe Ziffer ansteigen werden. Strom wird somit immer mehr zur Luxus-Ware, die sich bald kaum jemand mehr leisten kann.

Laut Angaben der Verbraucherzentralen sind rund 15 Prozent aller deutschen Haushalte von Stromsperren betroffen. „Zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung kämpfen damit, die stetig steigenden Energiekosten zu finanzieren“, mahnt der Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Klaus Müller, in der Zeitung „Welt am Sonntag“. Vor allem Geringverdiener, Rentner und Hartz IV Bezieher sind hiervon betroffen. Arbeitslosengeld II-Bezieher bekommen zwar die Heizkosten erstattet, der Strom muss aber aus den regulären Hartz IV Regelsätzen bezahlt werden.

Bei drohender Stromsperre aktiv werden
Können die Betroffenen „die monatlichen Abschläge geradeso noch bezahlen, so kommt die Not bei der Jahresendabrechnung“, so die Verbraucherschützer aus NRW. Können sie die Kosten nicht in dem vorgegebenen Zeitrahmen zahlen, droht schnell die Abschaltung des Stroms. Stromsperren können bereits ab 100 Euro Rückstand durchgeführt werden. Allerdings muss der Schuldner noch mindestens vier Wochen vor Ankündigung der Abschaltung Zeit bekommen, um etwas gegen die drohende Sperre zu unternehmen. Drei Tage vor dem Einsetzen der Stromabschaltung müssen Betroffene über den genauen Zeitpunkt der Sperre durch den Stromversorger informiert werden. „Wurde eine Abschaltung angekündigt oder ist diese bereits vollzogen, ist es wichtig mit dem Energielieferanten in Kontakt zu treten“, so die Verbraucherzentralen. Denn die Versorger sind dazu gesetzlich verpflichtet, zunächst zu prüfen, ob die Zahlung der offenen Posten nicht mit humaneren Mitteln gesichert werden kann. Daher sei „es wichtig zu verhandeln“. In den meisten Fällen können Kunden Ratenzahlungen vereinbaren.

Früher noch, so der Verbraucherschützer, sei „Energiearmut ein Randphänomen gewesen“. Heute ist es aber zu einem Alltagsproblem avanciert. Jedes Jahr sperren die Energielieferanten rund 600.000 Haushalten aufgrund nicht bezahlter Rechnungen den Strom und die Heizung, wie Johannes Teyssen von „E.on“ berichtet. Statt aber die Preise mindestens für die Menschen mit geringem Einkommen zu senken, schlug dieser einen „Energie-Soli“ vor.

Steigende Strompreise eine "organisierte soziale Schieflage"
Nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, habe die schwarz-gelbe Bundesregierung „strom- intensive Betriebe bei den Entgelten massiv entlastet“. Die entstandenen Einnahmeausfälle würden nun auf Kosten der Verbraucher in die Höhe treiben, so die Politikerin. Künast wirft „schwarz-gelb“ vor, sie „organisieren bewusst eine soziale Schieflage“ in diesem Land.

Bezieher von Hartz IV Leistungen müssen Stromkosten grundsätzlich aus den Regelleistungen begleichen. Bei entstandenen Stromschulden kann beim Jobcenter ein Antrag auf Übernahme der Stromschulden gestellt werden. Als „Kann-Leistung“ wird die Behörde normalerweise ein Darlehen gewähren. Allerdings werden die Raten von den folgenden Regelsatz-Zahlungen wieder abgezogen. Ein Rechtsanspruch auf Übernahme besteht in der Regel nicht. Es obliegt dem Sachbearbeiter, ob ein Darlehen aus Behördensicht gerechtfertigt ist. Betroffene sollten sich daher auch an eine Erwerbslosen-Beratungsstelle wenden, um gegebenenfalls bei Ablehnung einen Widerspruch zu stellen.

Weil aber in der allermeisten Fällen nur ein Darlehen von den Behörden gewährt wird und obendrein die Schulden von den laufenden Regelleistungen wieder ratenweise abgezogen werden, geraten viele in noch größere Nöte. Denn bei steigenden Energiepreisen „findet eine Unterdeckung des Regelbedarfs statt“, so Sebastian Bertram von „Gegen Hartz“. Der Gesetzgeber sei daher dazu aufgefordert, endlich die Regelleistungen bedarfsgerecht anzuheben. (sb)

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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de