Aufstockende Bürgergeld-Leistungen: Anspruch und Berechnung

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Viele Arbeitnehmer/innen verdienen nicht genug, um das Existenzminimum zu sichern. Wer in Deutschland trotz Arbeit nicht genug Geld hat, um alle Ausgaben zu decken, kann unter bestimmten Voraussetzungen aufstockende Bürgergeld-Leistungen beantragen. Die ergänzenden Leistungen müssen beim Jobcenter beantragt werden.

Was sind aufstockende Bürgergeld-Leistungen?

Etwa ein Drittel der Bürgergeldempfänger ist nicht arbeitslos. Viele üben einen Mini- oder Midijob aus oder arbeiten nur zum Mindestlohn.

In der öffentlichen Diskussion werden diese erwerbstätigen Leistungsbezieher als “Aufstocker” bezeichnet. Die Betroffenen haben deshalb einen Anspruch auf Bürgergeld, weil ihr Einkommen entweder nur in etwa an der Bedarfsgrenze des SGB II oder sogar darunter liegt.

Wer also mit seinem Einkommen kaum bzw, nicht auskommt, sollte einen Antrag auf Bürgergeld stellen. Wird der Antrag bewilligt, zahlt das Jobcenter monatlich einen Aufstockungsbetrag.

Wer kann einen aufstockenden Bürgergeld Antrag stellen?

Alle erwerbstätigen Geringverdiener, aber auch Selbstständige und Beschäftigte in Kurzarbeit können einen Antrag auf aufstockendes Bürgergeld stellen, wenn ein entsprechender Bedarf festgestellt wurde. Denn oft reicht das Einkommen zwar für den eigenen Lebensunterhalt, nicht aber für den der ganzen Familie. Dann wird der Bedarf einer so genannten Bedarfsgemeinschaft berechnet. Dabei wird das gesamte Einkommen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt.

Welches Einkommen muss in dem Bürgergeldantrag angegeben werden?

Welches Einkommen muss bei einem Antrag angegeben werden, sofern daraus ein Einkommen erzielt wird?

  • Lohn- und Gehalt
  • Kurarbeitergeld
  • Arbeitslosengeld
  • Elterngeld
  • Unterhaltszahlungen
  • Einkommen aus Minijobs und Midijobs
  • Gewinne aus der Selbstständigkeit
  • Erwerbsunfähigkeitsrente bei befristeter teilweiser Erwerbsunfähigkeit

Wer in Kurzarbeit ist, hat immer einen Bürgergeld-Anspruch?

Achtung: Der Bezug von Kurzarbeitergeld führt nicht automatisch dazu, dass auch Bürgergeld beantragt werden kann. Es kommt darauf an, ob das Kurzarbeitergeld die Kosten der Unterkunft (plus Heizung), den Bedarf nach den Regelsätzen und eventuelle Mehrbedarfe deckt. Errechnet das Jobcenter, dass das Kurzarbeitergeld zur Deckung des Bedarfs ausreicht, wird der Antrag auf Bürgergeld abgelehnt.

Wird der Existenzgründungszuschuss angerechnet?

Selbstständige, die Leistungen aus dem Bundesprogramm “Existenzgründungszuschuss” erhalten, können dennoch einen Anspruch auf ergänzendes Bürgergeld haben. Die Leistungen aus dem Bundesprogramm sind für Betriebsausgaben bestimmt und werden daher nicht auf den Lebensunterhalt angerechnet.

Welcher Antrag muss für aufstockende Leistungen verwendet werden?

Wer einen Aufstockungsantrag stellen möchte, muss den normalen Bürgergeldantrag verwenden. Im Rahmen des Antragsverfahrens wird das Jobcenter alle möglichen Nachweise anfordern. Damit will die Behörde prüfen, ob ein Leistungsanspruch besteht. Dazu wird auch das Einkommen der letzten Monate geprüft.

Diese Nachweise wird das Jobcenter zu Einkommensberechnung verlangen, sofern diese zutreffen:

  • Mietvertrag
  • Nachweise zu den Nebenkosten
  • Nachweise zu den Heizkosten
  • Kontoauszüge der letzten Monate
  • Nachweise für einen möglichen Mehrbedarf
  • Nachweise über die Höhe Ihres Vermögens

Kurzarbeiter müssen außerdem einen Nachweis über die voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit vorlegen.

Wie lange dauert die Bearbeitung des Antrags auf Bürgergeld?

Die Bearbeitungszeit für die Bewilligung des Antrags ist von Arbeitsagentur zu Arbeitsagentur unterschiedlich.

Viele Jobcenter benötigen zwischen zwei und acht Wochen für die Bearbeitung. Bei einigen Jobcentern kann es aufgrund von Personalmangel und erhöhtem Antragsaufkommen auch Monate dauern. Insgesamt hat das Jobcenter maximal sechs Monate Zeit für die Bearbeitung. Erst dann kann Untätigkeitsklage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden.

Wie wird das Einkommen angerechnet?

Insgesamt soll die Erwerbstätigkeit trotz Bürgergeldbezug attraktiv bleiben, auch wenn das Bürgergeld aufgestockt wird. Deshalb hat der Gesetzgeber Freibeträge eingeführt (§ 11 b SGB II). Das sind Beträge, die nicht vom Einkommen abgezogen werden:

  • 100 EUR Grundfreibetrag
  • 20 % vom Einkommen zwischen 100 EUR und 1.000 EUR als Freibetrag Stufe 1
  • 10 % vom Einkommen über 1.000 EUR als Freibetrag Stufe 2

Ab 1. Juli 2023 gelten folgende neue Freibeträge beim Bürgergeld für das Brutto-Erwerbseinkommen:

  • Stufe 1: 100€ bis 520€ = 20%
  • Stufe 2: 520,01€ bis 1000€ = 30%
  • Stufe 3: 1000,01€ bis 1.200€ = 10%
  • Alles was über 1.200€ hinaus geht, wird voll berücksichtigt.

Muss die Wohnung gewechselt werden, wenn diese als nicht angemessen gilt?

Für das erste Jahr des Bezugs wurde beim Bürgergeld eine sogenannte Karenzzeit eingeführt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II / § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Damit soll verhindert werden, dass Leistungsberechtigte im ersten Jahr des Leistungsbezugs ihre Wohnung wechseln müssen, weil diese nicht den Angemessenheitskriterien entspricht. Diese Regelung gilt jedoch nicht für die Heizkosten.

Erst nach dieser Zeit darf das Jobcenter eine Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten zustellen. Dann aber haben Betroffene, deren Wohnkosten als nicht angemessen gelten, noch einmal 6 Monate Zeit. Danach müssen Betroffene entweder umziehen oder den Differenzbetrag aus den Regelleistungen zahlen.

Achtung: Diese Regelungen gilt nicht für Bürgergeldberechtigte, denen das Jobcenter vor dem 1. Januar 2023 nur die angemessenen und nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten gezahlt hat. Dies ist in § 65 Abs. 6 SGB II/§ 140 Abs. 2 SGB XII geregelt.

Welches Vermögen wird angerechnet

Auch für das Vermögen gilt in den ersten 12 Monaten eine Karenzzeit. In dieser Zeit wird Vermögen nur berücksichtigt, soweit es erheblich ist. Es gilt ein Freibetrag von 40.000 Euro für die erste Person und jeweils 15.000 Euro für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft. Nach der Karenzzeit beträgt der Vermögensfreibetrag pauschal 15.000 Euro.

Die Höhe der aufstockenden Leistungen errechnet sich aus dem Nettoeinkommen und dem geltenden Regelsatz zuzüglich individueller Mehrbedarfe.

Unterschiedliches Einkommen bei Selbstständigen

Selbstständige haben je nach Auftragslage ein unterschiedliches Einkommen. Das Jobcenter errechnet aus dem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit der letzten sechs Monate ein Durchschnittseinkommen, das dann berücksichtigt wird.

Die Behörde wird jedoch einen vorläufigen Bewilligungsbescheid ausstellen und den Bedarf erst im Nachhinein feststellen. Es kann dann passieren, dass das Jobcenter Rückforderungen stellt, wenn die Folgemonate besser gelaufen sind als zuvor. Umgekehrt kann es aber auch zu Nachzahlungen kommen, wenn die Monate schlechter gelaufen sind als erwartet.

Wie wird der Bedarf berechnet?

Beispielrechnung Bürgergeld-Aufstockung
1. Bedarf nach Berechnung des Jobcenters: 820 EUR
2. Bruttoeinkommen: 740 EUR

Vom Einkommen des Antragstellers ist anrechnungsfrei:

  • Grundfreibetrag: 100 EUR
  • zusätzlich Einkommensfreibetrag Stufe 1 für Einkommen, das 100 EUR übersteigt: 128 EUR.
  • Das Jobcenter rechnet Ihnen vom Einkommen also an: 740 EUR – 100 EUR – 128 EUR = 512 EUR. Zusätzlich zu Ihrem Erwerbseinkommen erhalten Sie vom Jobcenter einen Ergänzungsbetrag von:

820 EUR – 512 EUR = 308 EUR

Nicht alle Betroffenen, die zu wenig Geld haben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, können das Bürgergeld beantragen. Das Jobcenter wird dann auf vorangige Leistungen hinweisen:

  • Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe berechtigt sind
  • Schüler und Studenten, die Leistungen nach den BAföG-Regelungen beziehen können
  • Bezieher von Altersrenten und Erwerbsunfähigkeitsrenten

Statt Bürgergeld besser Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag?

Der Bezug von Bürgergeld kann auch dadurch vermieden werden, dass andere Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag bezogen werden können. Allerdings sind beispielsweise die Bearbeitungszeiten beim Wohngeld oft deutlich länger als beim Bürgergeld.

Dennoch sollte immer ein Antrag auf ergänzendes Bürgergeld gestellt werden. Zum einen wegen der langen Bearbeitungszeiten bei den Jobcentern (siehe dazu auch einen Beitrag hier) oder weil andere Sozialleistungen dann doch abgelehnt werden.

Deshalb sollte immer ein Antrag auf Bürgergeld gestellt werden. Denn wird kein Antrag gestellt, zahlt das Jobcenter auch rückwirkend kein Bürgergeld. Ein Anspruch besteht immer erst ab Antragstellung.

Ob Wohngeld, Kinderzuschlag und Kindergeld beantragt werden sollte, zeigen diese Berechnungsbeispiele:

Bescheid immer überprüfen

Weil es nach Erstellung eines Bescheids durch das Jobcenter immer wieder zu Fehlern kommt, lohnt es sich, den Bescheid im Anschluss durch eine Beratungsstelle prüfen zu lassen. Online kann der Bescheid aber auch durch unsere Partneranwälte kostenfrei hier geprüft werden.

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