Bei Familie Lütke arbeiten beide Elternteile, sie erzielen den gleichen Lohn. Ihre Kinder sind 15 und 13 Jahre alt. Die Miete inkl. Nebenkosten beträgt 890€, hinzu kommen 130€ Heizkosten.
Familie Lütke steht für eine Vielzahl an Familien. Dieses fiktive Beispiel soll die allemeingültige Situation zu verdeutlichen.
In Berlin gilt Wohngeldstufe 4, das Beispiel ist somit auch 1:1 z.B. auf den Bodenseekreis, Braunschweig, Münster, Ludwigshafen,…, übertragbar.
Methodisches Vorgehen
Ich habe zu jedem Brutto-Einkommen in 100€-Schritten das jeweilige Netto (je StKl4) ermittelt und anhand der angegebenen Daten die dann zustehenden Sozialleistungen berechnet. Hier die sich ergebende Tabelle, anhand derer sich die finanzielle Situation ableiten lässt:
1. Ergebnis der Auswertung:
Wenn beide unter 900€ Brutto verdienen, haben sie Anspruch auf Bürgergeld. Wenn beide 900€ Brutto verdienen, entsteht Anspruch auf Kinderzuschlag und sie können nach 6 Monaten Arbeit vom Jobcenter zu Wohngeld und Kinderzuschlag wechseln.
Haushaltskasse
718€ Netto Vater
718€ Netto Mutter
500€ Kindergeld
814€ Wohngeld
500€ Kinderzuschlag
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3250€ in der Haushaltskasse
Nach Zahlung von Miete+Heizung verbleiben noch 2230€ für Strom und Leben, das sind 520€ mehr als ohne Arbeit. Arbeiten lohnt sich.
2. Ergebnis der Auswertung
Wenn die Familie beim Jobcenter ist und der zweite Elternteil wie der erste auch eine Stelle mit 1600€ Brutto annimmt, kann die Familie sofort vom Jobcenter zum Wohngeld wechseln und hat kurze Zeit später auch noch Anspruch auf Kinderzuschlag.
Haushaltskasse:
1228€ Netto Vater
1228€ Netto Mutter
500€ Kindergeld
459€ Wohngeld
424€ Kinderzuschlag
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3839€ in der Haushaltskasse
Nach Zahlung von Miete+Heizung verbleiben 2819€ für Strom und Leben, das sind 1109€ mehr als ohne Arbeit. Arbeiten lohnt sich.
3. Ergebnis der Auswertung
Verdienen beide Elternteile zwischen 1600€ und 2400€ Brutto lohnt sich Mehrarbeit kaum. Bei je 800€ Brutto mehr, landen nur 54€ mehr in der Haushaltskasse. In diesem Bereich fehlt der Anreiz, das Einkommen zu erhöhen / nicht zu reduzieren.
Praktisch bedeutet dies, dass es für Familie Lütke kaum einen Unterschied macht, ob die Eltern bei 14€/Std nun 26 oder 40 Stunden/Woche arbeiten. Die 54€ Unterschied für insgesamt 121 Stunden bedeuten, dass die beiden in diesem Bereich für 0,45€/Std arbeiten.
4. Ergebnis der Auswertung
Vollzeitarbeit beider Elternteile bei Mindestlohn bedeutet für Familie Lütke nicht, dass sie und ihre beiden Kinder unabhängig von Sozialleistungen wie Wohngeld werden.
Sie bekommen noch 155€ Wohngeld und 158€ Kinderzuschlag.
Reicht der aktuelle Mindestlohn aus?
Dass Vollzeitarbeit beider Elternteile nicht ausreicht, um davon eine 4-köpfige Familie ohne Ansprüche auf Sozialleistungen zu versorgen, könnte und sollte man als Zeichen dafür deuten, dass der Mindestlohn immer noch deutlich zu niedrig liegt.
Selbst bei Vollzeitarbeit beider Elternteile für 14€/Stunde besteht für die 4-köpfige Familie Lütke noch ein Anspruch auf 3€ Wohngeld. Daher wären dann selbst 14€ Mindestlohn nicht ausreichend.
Selbst durch diesen minimalen Leistungsanspruch besteht noch ein Anspruch auf das komplette Bildungs- und Teilhabepaket und (das betrifft wohl eher Familien mit jüngeren Kindern) auf die Befreiung von Kinderbetreuungskosten.
Diesen und weitere Beispielrechnungen findest du in meinen Sammelthread bei Twitter.
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de