Unzureichend geprüfte Medikamente an Erwerbslosen prüfen? Das ist Stoff für einen Film, der in der Zukunft spielt. Genau das aber hat die britische Regierung vor und startet eine Kampagne, um übergewichtigen Arbeitslosen Abnehmmittel zu spritzen.
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Medikamente spritzen, um in Arbeit zu kommen
Der Premier Keir Starmer (Labour Party) behauptete, das Injizieren dieses Medikaments könnte den Betroffenen helfen, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dies stütze die Wirtschaft und entlaste den staatlichen Gesundheitsdienst, den NHS.
Der Gesundheitsminister Wes Streeting fügte hinzu, Krankheiten, die mit Fettleibigkeit einher gingen, kosteten die Behörde jährlich elf Milliarden Pfund, also rund 13 Milliarden Euro.
Streeting schrieb in der Zeitung “Telegraph”: “Unsere immer breiter werdenden Hosenbünde stellen auch eine erhebliche Belastung für unser Gesundheitswesen dar”. Er sagte zu den Abnehmspritzen: “Die langfristigen Vorteile dieser Medikamente könnten für unseren Ansatz zur Bekämpfung von Fettleibigkeit von enormer Bedeutung sein.”
Mediziner schlagen Alarm
Ärzte und Medizinerinnen im United Kingdom warnen jedoch vor dem Versuch. Es gebe Risiken, und das Medikament führe zu unerwünschten Nebenwirkungen. Außerdem seien die Langzeitfolgen unklar. Unklar bedeutet: Die Langzeitfolgen sind unzureichend erforscht.
Kein Ersatz für gesunde Ernährung und Bewegung
Die kritischen Ärzte und Ernährungswissenschaftler haben noch weitere Bedenken gegen diesen medizinischen Versuch an erwerbslosen Menschen. Denn Medikamente ersetzten keine gesunde Ernährung und Bewegung.
Es geht um den Einzelfall
Deutsche Apotheker sagen klar, dass der einzelne Mensch zählt. So erklärt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: “Wir vertrauen darauf, dass Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall entscheiden, ob sie einem Patienten oder einer Patientin ein rezeptpflichtiges Arzneimittel verordnen oder nicht.”
Auch die deutschen Apotheker kritisieren ein massenhaftes Verabreichen von Medikamenten, wie es die britische Regierung bei Leistungsberechtigten plant. So stellt der Apothekerverband klar: “Rezeptpflichtige Arzneimittel wie ‘Abnehmspritzen’ haben Risiken und Nebenwirkungen, die nicht ausgeblendet werden dürfen.”
Kopfschmerzen treten auf, ebenso wird Betroffenen übel, der Darm reagiert mit Durchfall, oder Erschöpfung plagt die Konsumenten von Abnehmmitteln.
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Der Gesundheitsminister warnt selbst vor den Spritzen
Der britische Gesundheitsminister sagt, Menschen müssten selbst die Verantwortung für einen gesunden Lebensstil übernehmen. Das generelle Einnehmen der Abnehmspritzen, die er Erwerblosen verabreichen will, kritsiert er sogar selbst.
Diese dürften nicht als “kosmetische Medikamente für einen Instagramm-tauglichen Körper missbraucht werden”.
Wo liegt der Missbrauch?
Streetings Aussage wirft Fragen auf: Wenn diese Mittel unproblematisch sind, warum ist es dann “Missbrauch”, sie zu nutzen, um seinen Körper zu verschönern? Wenn sie aber Probleme bereiten, warum ist es dann kein “Missbrauch”, diese Medikamente an erwerbslosen Menschen auszuprobieren?
Ist die Teilnahme freiwillig?
Geklärt ist auch nicht die Voraussetzung der deutschen Apotheker bei rezeptpflichtigen Medikamenten. Besprechen Ärzte mit den betroffenen Menschen die Risiken und Nebenwirkungen der Abnehmspritzen? Prüfen Mediziner bei erwerbslosen Menschen, die diese Mittel nutzen, den Einzelfall?
Oder handelt es sich um die massenhafte Vergabe von Arzneimitteln mit Risiken und Nebenwirkungen an Erwerbslose, und dies bei Medikamenten, deren Langzeitwirkung unklar ist?
Unklar ist auch, was die Arbeitslosen selbst von diesem Medizinversuch halten? Müssen Sie Sanktionen befürchten, zum Beispiel Kürzungen der Leistungen, wenn sie die Teilnahme am Experiment verweigern? Wrden sie aufgeklärt über das Medikament, das sie einnehmen?
Es geht um viel Geld
Bei der Werbeaktion für die Abnehmspritzen geht es auch um viel Geld. Der zuständige US-Pharmakonzern Eli Lilly will 279 Millionen Pfund in Großbritannien investieren.
Dieses Geld dient offenbar auch für das Experiment mit den Erwerbslosen. Konkret plant Eli Lilly Praxistests, um zu untersuchen, welchen Einfluss die Abnehmspritzen auf Erwerbslosigkeit haben, und wie sich auswirken auf die Inanspruchnahme von Leistungen der britischen Gesundheitsbehörde. Dafür dienen offenbar die Arbeitslose als Versuchskaninchen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.