Arbeitslos, erwerbslos, Schmarotzer oder Parasit?

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Ein persönliches Fazit von einem Aktivisten der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg

Hilfebedürftigkeit? Anrechenbares Vermögen. Schonvermögen. Anlagen MEB, BB oder UH1-4, Anlage VÄM. Auch noch Anlage EK, Anlage VM, Anlage EKS. Anrechenbares Einkommen. Zuflussprinzip, unaufgefordert und unverzüglich, automatisierter Datenabgleich. Versicherungspauschale. Anlage Kosten der Unterkunft. Für mehr als eine Unterkunft reichen die Mietobergrenzen ohnehin nicht aus, da vermeidet man lieber gleich das Wort Wohnung.

Aus der ARGE wurde das Jobcenter. Aus dem Regelsatz wurde der Regelbedarf. Existenzminimum? Leistungsabteilung: lange Flure, wenige Sitzplätze, Security, Wartemarke, Bedarfsgemeinschaft, eheähnlich. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, Hausbesuch, Mitwirkungspflichten. Unter 25, Kontoauszüge der vergangenen drei Monate. Weiterbewilligungsantrag und alles nochmal von vorn…!

Auf der anderen Gebäudeseite: Die Arbeitsvermittlung, sie winkt mit der Eingliederungsvereinbarung. Eine Initiative formulierte es einst so: „Achtung, Sie verlassen den demokratischen Sektor der Bundesrepublik Deutschland“ und „Wir vermitteln Angst, Ihre Jobcenter“. Mehr als 15 Jahre nach Einführung sind immer noch viele Bescheide falsch oder unverständlich. Es geht ja auch nur um das Existenzminimum, das immer noch 30 Prozent weniger als das Minimum betragen darf. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht zum zweiten Mal der Hartz IV-Gesetzgebung einen Verfassungsbruch bescheinigt. Konsequenzen daraus? Keine wirklichen! Warum auch, das System der Niedriglöhne und Ausbeutung funktioniert nur mit Druck und Zwang.

Die Mitarbeiter*innen in den Behörden wechseln schnell. Alle sagen immer so gern, sie wenden ja nur das geltende Recht an. Ach, wenn es denn so wäre – angesichts vieler falscher Bescheide. Das lässt uns ratlos zurück, gerade wenn man an Cum-ExSteuertricks denkt. Was man wirklich auf den Fluren des Jobcenters hört, ist Verzweiflung, Resignation und ein „Ich mache alles, nur um von hier wegzukommen!“ Hartz IV überwinden heißt, einen sehr beschwerlichen Weg zu gehen. Aber der Weg in Richtung einer solidarischen Gesellschaft ist
es wert.

Was bedeutet die Forderung, Hartz IV zu überwinden? Eine Ideensammlung in ungeordneter Reihenfolge Existenzgeld (echte soziokulturelle Teilhabe)

– formlos, bedingungslos, stigmatisierungsfrei, emanzipatorisch, antirassistisch
– Bürokratieabbau
– Menschenfreundlichkeit (Kunden? – z.B. ganz banal: Eingangsbestätigungen obligatorisch)
– ein alltägliches positives Menschenbild (Anerkennung der Individuen und ihrer gesellschaftliche Teilhabe/Leistungen)
– kurze Wartezeiten
– Interessen- und bedarfsgerechte Arbeitsvermittlung.
– keine Zwänge bei der Arbeitsvermittlung
– kurze Wege zu Ansprechpersonen
– verständliche korrekte Bescheide
– kurzfristige Antragsbearbeitung
– keine Zielzahlen der Leistungseinsparung der Jobcenter
– Mindestansprüche der Betroffenen sichern
– keine Diskriminierungen (alternative Lebensentwürfe, Rassismen, Behinderung, Sprachbarrieren, …)

Von hier ist es noch ein kleiner Schritt zu gesellschaftlichen Utopien:
– Commons: Bildung, Mobilität, Energie, Gesundheit, Versorgung im Alter, Wohnen usw.
– Umwelt: Naturschutz, Tierschutz, Klima usw.
– Reichtumsverteilung
– demokratische Teilhabe
– Care-Arbeit: wertschätzend u. anerkennend

(Verfasst von einem Aktivisten aus der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg ALSO)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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