Seit der Einführung des Mindestlohns sind Arbeitgeber generell verpflichtet, diesen an Arbeitnehmer zu zahlen, und 2025 wird er bei 12,82 pro Stunde liegen. Viele wissen nicht, dass es Ausnahmen gibt, in denen Beschäftigte keinen Anspruch darauf haben. Das gilt auch für langzeitarbeitslose Bürgergeld-Bezieher die einen Job finden.
Mindestlohn erst nach sechs Monate
Wenn Sie bereits seit einem Jahr oder länger arbeitslos sind, dann zählen Sie zu den Langzeitarbeitslosen.
Genau geregelt ist dies im Paragrafen 18 des Sozialgesetzbuches III: „Langzeitarbeitslose sind Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Die Teilnahme an einer Maßnahme (…) sowie Zeiten einer Erkrankung oder sonstiger Nicht-Erwerbstätigkeit bis zu sechs Wochen unterbrechen die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht.“
Arbeitgeber müssen Ihnen erst dann den Mindestlohn zahlen, wenn Sie sich mindestens sechs Monate in dem neuen Arbeitsverhältnis befinden.
Diese sechs Monate entsprechen der als Probezeit bezeichneten Bewährungsphase, nach der das Unternehmen entscheidet, Sie weiter zu beschäftigen oder nicht.
Diese Regel gilt nicht bei der Probezeit für Menschen, die nicht als langzeitarbeitslos erfasst sind. Denn grundsätzlich ist während einer befristeten Probearbeitszeit ebenso der Mindestlohn zu zahlen wie bei einer Probezeit vor einem unbefristeten Arbeitsvertrag, Es handelt sich um einen normalen Arbeitsvertrag.
Wie begründet die Bundesregierung die Ausnahme von der Regel?
Die Bundesregierung behauptet, der Verzicht auf den Mindestlohn für eine gewisse Zeit würde es für Arbeitgeber attraktiver machen, Langzeitarbeitslose einzustellen und so die Chancen für die Betroffenen verbessern, eine Stelle zu bekommen.
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Die Jobcenter dürfen bestrafen
Die Bundesagentur für Arbeit hält es für zumutbar, dass Langzeitarbeitslose Stellen annehmen, für die es keinen Mindestlohn gibt. Mit dieser Begründung kann das Jobcenter betroffenen Bürgergeld-Beziehern die Leistungen kürzen, wenn sie eine Stelle ablehnen, weil für diese kein Mindestlohn gezahlt wird.
Arbeitsmarktexperten halten die Begründung für absurd
Die Hans Böckler Stiftung zeigte bereits bei Einführung des Mindestlohns, dass die Sonderregel für Langzeitarbeitslose gerade verhindere, diese nachhaltig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.
So würden Arbeitgeber die Ausnahme als pauschale Lohnsubvention nutzen, und ein Drehtür-Effekt sei die Folge. Langzeitarbeitslose würden nur für sechs Monate eingestellt und dann durch die nächsten Langzeitarbeitslosen ersetzt. Dies wäre für die Betroffenen nicht einmal mit individuellen Förderungen verbunden.
Eine Gefahr sah die Hans Böckler Stiftung vor allem bei gering qualifizierten Tätigkeiten.
Hier hätten Unternehmen einen starken Anreiz, bestehende Beschäftigung durch „billigere“ Langzeitarbeitslose zu ersetzen, und deren Perspektive wäre von Anfang an auf sechs Monate beschränkt.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellte bereits 2017 fest, dass die Ausnahmeregelung sich kaum auf die Anstellung von Langzeitarbeitslosen hatte.
Die Wahrscheinlichkeit, eine Beschäftigung zu bekommen, verbesserte sich durch die Ausnahme nicht im Vergleich zu Kurzzeitarbeitslosen. Das hätte bei einem positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt aber messbar sein müssen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.