Im sozialen Netzwerk “TikTok” wird derzeit ein Video geteilt, das für Aufsehen sorgt. Darin wird behauptet, dass Bürgergeld-Bezieher einen sogenannten “Hitzebonus” in Höhe von 300 Euro vom Jobcenter erhalten. Das Video ist mittlerweile viral gegangen und wurde hunderttausendfach angeklickt.
Spiel mit den Vorurteilen
Viele Menschen glauben, dass Bürgergeld-Beziehende nur Geld vom Staat kassieren, ohne zu arbeiten. Dabei sind vor allem Alleinerziehende, Aufstocker und ältere Arbeitslose auf das Bürgergeld angewiesen. Durch die anhaltende Inflation haben sich vor allem Grundnahrungsmittel stark verteuert. Die Folge: Weil das bisschen Geld nicht bis zum Monatsende reicht, müssen viele Bürgergeldbezieher schon Mitte des Monats zur Tafel gehen.
Weil aber immer wieder auf dubiosen Seiten reißerisch über Bonuszahlungen berichtet wird, meinen andere, auf diesen Zug aufspringen zu müssen, um ebenfalls hohe Klickzahlen zu erreichen. Ein solches Beispiel ist das oben erwähnte TikTok-Video, das wir nicht verlinken, um die Reichweite nicht noch weiter zu erhöhen.
Was wird behauptet?
In dem 20 Sekunden langen Video erklärt eine Frau, dass alle Bürgergeldbezieher bei ihrem Jobcenter einen Bonus in Höhe von 300 Euro abholen können. Der Bonus sei für Klimaanlagen, Ventilatoren oder einen Freibadbesuch gedacht.
Die meisten Kommentare unter dem Video zeigen, dass die Betrachterinnen und Betrachter diese Botschaft für wahr halten. Sie beschweren sich darüber, dass den Empfängern des Bürgergeldes alles hinterher geworfen wird, während sie selbst alles aus ihrem Arbeitseinkommen bezahlen müssen. Einige Kommentatoren scheinen sich zumindest zu fragen, ob das ernst gemeint ist.
Das Video soll eine Satire sein, ist aber so aufgemacht, dass man glauben könnte, es sei ernst gemeint. Der Autor spielt zumindest damit, dass Menschen ein solches Video ernst nehmen könnten.
Kein Hitze-Bonus für Bürgergeld-Bezieher
Wir stellen klar: Einen solchen Bonus gibt es nicht! Anschaffungen wie Ventilatoren oder auch ein Schwimmbadbesuch müssen aus den pauschal festgelegten Bürgergeld-Regelleistungen bezahlt werden. Dafür gibt es spezielle Posten, in denen solche Anschaffungen oder Ausgaben enthalten sind. Es ist daher nicht möglich, einen gesonderten Antrag zu stellen oder auf einen Bonus zu hoffen.
Wer kein Bürgergeld bezieht, kann sich anhand der Tabelle ein Bild darüber verschaffen, welche Ausgaben im Monat in der Regelleistungen vorgesehen sind:
Ausgabenbereich | Betrag |
Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke, Genusswaren | 174,19 EUR (37,7 % des Regelsatzes) |
Freizeit, Unterhaltung, Kultur | 48,98 EUR (9,76 % des Regelsatzes) |
Nachrichtenübermittlung, Post, Telekommunikation | 44,88 EUR (8,94 % des Regelsatzes) |
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung | 42,55 EUR (8,84 % des Regelsatzes) |
Bekleidung, Schuhe | 41,65 EUR (8,3 % des Regelsatzes) |
Verkehr | 45,02 EUR (8,97 % des Regelsatzes) |
Andere Waren und Dienstleistungen | 40,06 EUR (7,98 % des Regelsatzes) |
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände | 30,57 EUR (6,09 % des Regelsatzes) |
Gesundheitspflege | 19,16 EUR (3,82 % des Regelsatzes) |
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen | 13,11 EUR (2,61 % des Regelsatzes) |
Bildung | 1,81 EUR (0,36 % des Regelsatzes) |
Insgesamt | 502 EUR |
Jeder und Jede kann sich einmal zusammenrechnen, ob man tatsächlich mit dem wenigen Geld über die Runden kommen könnte.
Warum aber finden solche Videos eine derart hohe Verbreitung?
Im Gegensatz zu anderen Kanälen wie beispielsweise Youtube ist der Algorithmus bei TikTok viel einfacher gestrickt. So ist es schwer zu erkennen, ob es sich bei dem Video um einen Fake oder eine tatsächliche Information handelt. Wer ein paar tausend Abonnenten hat, kann einfach alles posten. Das Verwerfliche daran ist, dass z.B. dieser aufklärende Artikel keine so große Reichweite haben wird.
Die Folge ist, dass sich solche Gerüchte und Falschmeldungen in den Köpfen der Zuschauer manifestieren und bei nächster Gelegenheit im Freundes- und Bekanntenkreis weiter erzählt werden. “Hast du schon gehört, die Bürgergeldempfänger bekommen sogar Geld wegen der Hitze! Das wurde berichtet.”
Kaum jemand macht sich dann die Mühe, selbst zu recherchieren, ob solche oder ähnliche Gerüchte tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Die Leidtragenden sind dann die Bürgergeldempfänger, die sich in den sozialen Medien Anfeindungen ausgesetzt sehen.
Kein Einzelfall
Schon einmal haben wir über ein TikTok Video berichtet, in dem ebenfalls Fakenews verbreitet wurden. Darin wurde behauptet, dass ukrainische Kriegflüchtlinge einen Bonus in Höhe von 250 Euro erhalten. Auch dieses Video ging viral und wurde über 10.000 mal geteilt und tausendfach kommentiert. Auch damals glaubten viele Menschen, dass es sich um eine wahre Begebenheit handeln würde.
In einem anderen Video mit ähnlicher Aufmachung wurde behauptet, dass Bürgergeld-Bezieher “Weihnachtskarten” an das Jobcenter schicken sollen, damit sie einen Weihnachtsbonus erhalten. Dies führte dazu, dass die Jobcenter tausende Postkarten erhielten und sich im Zuge dessen dazu genötigt sahen, auf die Falschmeldung aufmerksam zu machen.
Unser Rat: Vieles bei TikTok entspricht nicht der Wahrheit und wird nur erstellt, um möglichst viele Klicks zu generieren. Aufgestellte Behauptungen sollten daher immer auf seriösen Seiten geprüft werden.
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