Abfindung kurz vor der Rente: Diese Entscheidung kostet lebenslang Rentenansprüche

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Wer kurz vor der Rente einen Aufhebungsvertrag unterschreibt und sich mit einer scheinbar attraktiven Abfindung abspeisen lässt, riskiert einen doppelten Schaden: Es fehlen Beitragsmonate und Rentenpunkte – und die einmal falsch getroffene Entscheidung kann die Nettorente dauerhaft um hundert Euro und mehr im Monat drücken.

Aufhebungsvertrag kurz vor der Rente: Warum es so gefährlich werden kann

Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Für Arbeitgeber ist das bequem, weil sie Kündigungsschutzprozesse vermeiden. Beschäftigte kurz vor der Rente lassen sich oft mit der Aussicht auf eine hohe Abfindung überzeugen – zumal viele ohnehin „durchhalten“ wollen, bis die Rente beginnt.

Genau hier liegt die Falle: Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der regulären Kündigungsfrist beendet und fließt eine Abfindung, kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 158 SGB III ganz oder teilweise ruhen. Gleichzeitig droht bei einem Aufhebungsvertrag ohne „wichtigen Grund“ eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen nach § 159 SGB III, in der das Arbeitslosengeld gar nicht gezahlt wird; die Sperrzeit verkürzt zudem die Gesamtdauer des Anspruchs.

Für Menschen in rentennahem Alter bedeutet das: Es fehlen Monate, in denen die Agentur für Arbeit Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung zahlt. Diese Lücke lässt sich später kaum noch schließen.

Abfindung ist kein Rentenbeitrag: Warum Rentenpunkte verloren gehen

Viele glauben, eine hohe Abfindung gleiche den Verlust der letzten Arbeitsmonate vor der Rente aus. Rentenrechtlich stimmt das so nicht. Eine Abfindung ist grundsätzlich eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und kein Arbeitsentgelt, aus dem automatisch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt werden.

Ohne Pflichtbeiträge entstehen in dieser Zeit keine neuen Entgeltpunkte. Wer stattdessen Arbeitslosengeld beziehen würde, hätte in der Regel weiterhin Beitragszeiten, weil die Bundesagentur für Arbeit während des ALG-I-Bezugs Beiträge in die Rentenversicherung zahlt. Fehlt dieser Zeitraum, entstehen Lücken oder zumindest beitragsarme Zeiten im Versicherungsverlauf – das schlägt direkt auf die spätere Rentenhöhe durch.

Ruhen und Sperrzeit: Wenn das Arbeitslosengeld nicht zahlt – und die Rente leidet

Kommt eine Abfindung ins Spiel und endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der eigentlich geltenden Kündigungsfrist, prüft die Agentur für Arbeit, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen einer Entlassungsentschädigung nach § 158 SGB III ruht. In dieser Ruhensphase gibt es kein ALG I und damit auch keine von der Agentur gezahlten Rentenbeiträge.

Unabhängig davon kann eine Sperrzeit nach § 159 SGB III eintreten, wenn die Arbeitslosigkeit durch einen Aufhebungsvertrag „versicherungswidrig“ herbeigeführt wurde. Die Sperrzeit dauert in der Regel zwölf Wochen, verkürzt die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes um mindestens ein Viertel und führt dazu, dass die betroffene Person mehrere Monate lang weder Arbeitslosengeld noch Rentenbeiträge erhält.

Gerade bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Anspruch auf längeres ALG I bedeutet das: Es fehlen schnell ein halbes Jahr oder mehr an vollwertigen Beitragszeiten kurz vor Rentenbeginn – ausgerechnet in einer Phase, in der jeder Monat auf dem Rentenkonto zählt.

Einmal Geld, lebenslang weniger Rente: Wie stark ein Aufhebungsvertrag drücken kann

Seit 1. Juli 2025 ist ein Entgeltpunkt in der gesetzlichen Rentenversicherung 40,79 Euro brutto im Monat wert. Wer durch Lücken im Versicherungsverlauf zwei Entgeltpunkte weniger erreicht als möglich, verliert also rund 81,58 Euro brutto im Monat – Jahr für Jahr, solange die Rente gezahlt wird.

Kommt hinzu, dass Betroffene aufgrund des vorzeitigen Ausstiegs aus dem Job eine Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nehmen, wird der Schaden noch größer. Die regulären Abschläge betragen 0,3 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme, maximal 14,4 Prozent bei vier Jahren.

In der Praxis kann das so aussehen:

Eine langjährig Versicherte hätte ohne Aufhebungsvertrag 45 Entgeltpunkte und Anspruch auf eine reguläre Altersrente ohne Abschlag. Mit dem aktuellen Rentenwert entspräche das rund 1.835 Euro brutto im Monat. Wird das Beschäftigungsverhältnis jedoch über einen Aufhebungsvertrag 2 Jahre vor dem eigentlichen Rentenbeginn  beendet, fehlen in diesem Beispiel zwei Entgeltpunkte.

Die Rente sinkt auf etwa 1.754 Euro brutto. Geht die Betroffene zusätzlich zwei Jahre früher in Rente, reduziert ein Abschlag von 7,2 Prozent die monatliche Zahlung erneut – der Verlust summiert sich schnell auf über 200 Euro brutto im Monat.

Die Abfindung wirkt dagegen je nach Höhe nur kurzfristig. Ist das Geld verbraucht, bleibt die dauerhaft gekürzte Rente. Im ungünstigen Fall führt die Kombination aus niedriger Rente und steigenden Lebenshaltungskosten später in die Grundsicherung im Alter.

Abfindung sinnvoll nutzen: Ausgleichszahlungen und zusätzliche Rentenpunkte

Was viele nicht wissen: Unter bestimmten Voraussetzungen können Versicherte und Arbeitgeber Abfindungen ganz oder teilweise nutzen, um Rentenminderungen auszugleichen oder zusätzliche Entgeltpunkte zu erwerben. Grundlage ist § 187a SGB VI, der Ausgleichszahlungen zur Vermeidung oder Reduzierung von Rentenabschlägen erlaubt.

Zahlt der Arbeitgeber statt einer vollen Abfindung einen Teil direkt an die Deutsche Rentenversicherung, kann damit eine geplante vorzeitige Rente ohne oder mit deutlich geringeren Abschlägen erreicht werden. Fachbeiträge zeigen, dass solche Ausgleichszahlungen steuerlich oft günstiger sind, als eine hohe Abfindung brutto auszuzahlen und voll zu versteuern.

Auch wer selbst aus eigenen Mitteln zusätzliche Beiträge einzahlt, kann sein Punktekonto vor Rentenbeginn aufstocken. Hierzu ist eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung nötig, aus der hervorgeht, wie hoch die mögliche Ausgleichszahlung ausfallen muss, um bestimmte Abschläge zu kompensieren.

Typische Fehler: Wo Aufhebungsverträge kurz vor der Rente besonders weh tun

In der Praxis häufen sich bestimmte Konstellationen, die die Rente dauerhaft schädigen. Häufig wird das Enddatum des Arbeitsverhältnisses so früh gelegt, dass Kündigungsfristen unterschritten werden und § 158 SGB III greift. Das kann zu wochen- oder sogar monatelangen Ruhenszeiten ohne Leistung und ohne Beiträge führen.

Zudem werden Aufhebungsverträge oft unterschrieben, ohne vorher mit der Agentur für Arbeit zu klären, wie sich die Vereinbarung auf Sperrzeiten auswirkt. Fehlt im Vertrag der Hinweis auf eine ohnehin drohende betriebsbedingte Kündigung oder andere wichtige Gründe, stuft die Agentur den Schritt als „versicherungswidrig“ ein – die Sperrzeit entsteht und verkürzt gleichzeitig die Gesamtdauer des ALG-I-Anspruchs.

Schließlich wird die Abfindung in vielen Fällen allein als Überbrückungsgeld bis zur Rente betrachtet. Chancen, Teile davon steuerlich begünstigt in die Rentenversicherung zu leiten, werden verschenkt. Statt lebenslang höherer Rentenzahlungen gibt es nur eine einmalige Summe, die im Alltag schnell aufgezehrt ist.

Was Betroffene vor der Unterschrift prüfen sollten

Wer kurz vor der Rente steht und einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung angeboten bekommt, sollte die Entscheidung daher nie allein von der Höhe der Einmalzahlung abhängig machen.

Entscheidende Fragen sind etwa, ob die ordentliche Kündigungsfrist vollständig eingehalten wird, ob und wie sich Sperrzeiten vermeiden lassen, wie lange ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht und in welchem Zeitraum die Agentur für Arbeit noch Rentenbeiträge zahlen würde.

Ebenso wichtig ist ein genauer Blick auf die Rentenbiografie: Wie viele Entgeltpunkte sind bereits vorhanden, welche Rentenart kommt in Betracht, wären eine abschlagsfreie Rente oder günstigere Übergangsmodelle möglich und in welcher Größenordnung würde eine Ausgleichszahlung nach § 187a SGB VI den späteren Rentenbetrag erhöhen.

Ohne diese Berechnungen wirkt eine hohe Abfindung schnell attraktiver, als sie tatsächlich ist. Wer vor der Unterschrift arbeits- und rentenrechtliche Beratung einholt und die Kündigungsfristen, Sperrzeitrisiken sowie Ausgleichsmöglichkeiten in die Verhandlung einbezieht, ist klar im Vorteil.

So lässt sich ein Aufhebungsvertrag oft so gestalten, dass er nicht zur „Rentenfalle“, sondern im besten Fall zu einem planbaren und finanziell abgesicherten Übergang in den Ruhestand wird.