Alle Einkommen werden für das Krankengeld berechnet – und oft von den Kassen “vergessen”

Für das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht irgendein Durchschnittswert maßgeblich, sondern das gesetzlich definierte „Regelentgelt“. Es entspricht dem regelmäßigen, beitragspflichtigen Arbeitsentgelt, das unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnet wurde.

Der Gesetzgeber knüpft die Berechnung ausdrücklich an das Entgelt, das der Sozialversicherungsbeitragsberechnung unterliegt. Damit sind alle Bestandteile erfasst, auf die normalerweise Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung erhoben werden. Rein steuerfreie oder nicht beitragspflichtige Leistungen bleiben außen vor. Rechtsgrundlage ist § 47 SGB V.

Blick in die letzte Entgeltperiode

In der Praxis greift die Kasse auf die letzte vor der Krankschreibung abgerechnete Entgeltperiode zurück. Bei Monatslohn gilt der dreißigste Teil des im letzten abgerechneten Kalendermonat erzielten, beitragspflichtigen Arbeitsentgelts als tägliches Regelentgelt.

Selbst wenn der Kalendermonat 31 oder 28 Tage hat, wird aus Gründen der Einheitlichkeit stets durch dreißig geteilt. Diese Monatsregel ist in Gesetz und Praxisleitfäden verankert und sorgt für eine einheitliche Tagesbewertung.

Mindestbemessungszeitraum und Sonderfälle bei neuen Jobs

Ist der Lohn nicht monatlich bemessen oder schwankt er, wird mindestens auf die letzten abgerechneten vier Wochen abgestellt und aus diesen Werten das Regelentgelt ermittelt.

Trifft die Arbeitsunfähigkeit so früh ein, dass es noch keinen abgerechneten Zeitraum von vier Wochen gibt – etwa in einem frisch begonnenen Arbeitsverhältnis –, muss die Kasse das Entgelt schätzen und bereits erzielte Bezüge als Anhalt heranziehen.

Einmalzahlungen: Weihnachts- und Urlaubsgeld zählen – aber anteilig

Einmalige, beitragspflichtige Zahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld bleiben nicht unberücksichtigt. Sie werden nicht vollständig dem Abrechnungsmonat zugeschlagen, sondern anteilig in die Ermittlung des Regelentgelts einbezogen: maßgeblich ist der dreihundertsechzigste Teil sämtlicher Einmalzahlungen, die in den zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Beitragsbemessung zugrunde lagen.

Der Nettodeckel: 90 Prozent vom Netto als Obergrenze

Das Krankengeld beträgt grundsätzlich 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoarbeitsentgelts.

Dieser Bruttowert wird jedoch durch eine zweite Schranke gedeckelt: Das ermittelte Krankengeld darf 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts nicht überschreiten. Für die Vergleichsgröße „Netto“ wird – spiegelbildlich zur Bruttoberechnung – ebenfalls ein Hinzurechnungsbetrag aus den genannten Einmalzahlungen berücksichtigt.

Das Gesetz beschreibt dieses Zusammenspiel detailliert, um zu gewährleisten, dass die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes gewahrt bleibt, ohne das Nettoeinkommen faktisch zu übersteigen.

Absolute Höchstgrenzen: Deckel durch die Beitragsbemessungsgrenze

Unabhängig von der individuellen Lohnhöhe gilt zusätzlich ein gesetzlicher Maximalbetrag. Das Regelentgelt wird nur bis zur kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung berücksichtigt.

Daraus ergibt sich für das Jahr 2025 ein gesetzlicher Höchstbetrag des Krankengeldes von 128,63 Euro pro Kalendertag.

Dieser Wert entspricht 70 Prozent des auf dreißig Tage verteilten monatlichen Höchstentgelts (Beitragsbemessungsgrenze 2025: 5.512,50 Euro/Monat). Alles darüber hinaus bleibt für die Krankengeldberechnung unbeachtlich.

Tabelle: Welches Einkommen wird für die Bemessung des Krankengeldes zugrunde gelegt?

Grundlage Erklärung
Regelentgelt Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielt wurde.
Monatsgehalt Bei monatlicher Entlohnung wird das letzte abgerechnete Monatsentgelt zugrunde gelegt, geteilt durch 30 Kalendertage.
Wochen-/Stundenlohn Bei nicht monatlicher Entlohnung wird auf die letzten abgerechneten 4 Wochen abgestellt.
Neue Arbeitsverhältnisse Liegt noch kein voller Abrechnungszeitraum vor, wird das bisher erzielte Entgelt hochgerechnet bzw. geschätzt.
Einmalzahlungen Weihnachts- oder Urlaubsgeld werden anteilig berücksichtigt: 1/360 der letzten 12 Monate wird hinzugerechnet.
Brutto-Obergrenze Grundlage ist maximal das Entgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nettodeckel Krankengeld darf höchstens 90 % des regelmäßigen Nettoentgelts betragen.
Abzüge Vom Brutto-Krankengeld gehen Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ab.
Selbstständige Maßgeblich ist das zuletzt für die Beitragsbemessung relevante Arbeitseinkommen (bzw. bei KSK das Einkommen der letzten 12 Monate).

Was tatsächlich ausgezahlt wird: Abzüge auf dem Weg zum „Netto-Krankengeld“

Das aus Brutto und Nettodeckel ermittelte Krankengeld ist zunächst ein Bruttobetrag. Hiervon gehen Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ab, sofern entsprechende Versicherungen bestehen. Ein Beitrag zur Krankenversicherung fällt auf das Krankengeld nicht an; die Absicherung des Krankengeldrisikos ist in den laufenden Krankenversicherungsbeiträgen enthalten.

Je nach Familiensituation kann in der Pflegeversicherung ein Zuschlag für Kinderlose zum Tragen kommen. Erst nach diesen Sozialabgaben ergibt sich der Auszahlungsbetrag, der regelmäßig merklich unter 70 Prozent des Bruttolohns liegt.

Veränderungen während der Krankheit

Maßgeblich ist grundsätzlich der Entgeltstand vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Lohnänderungen, die erst nach Eintritt der Krankheit wirksam werden, fließen in die Krankengeldberechnung zunächst nicht ein. Dagegen werden Status- oder Stundenänderungen berücksichtigt, wenn sie vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingetreten sind, etwa der Wechsel von Voll- auf Teilzeit unmittelbar zum Monatswechsel.

In der Praxis orientieren sich Kassen an diesem Stichtagsprinzip, um die Berechnung verlässlich und nachvollziehbar zu halten.

Beschäftigungsformen, schwankende Entgelte und variable Vergütung

Bei stark schwankenden Bezügen oder unregelmäßiger Arbeitsleistung sorgt die Kombination aus Mindestbemessungszeitraum von vier Wochen, Monatsregel und Einbeziehung anteiliger Einmalzahlungen für ein realistisches Abbild des üblichen Einkommens.

Das Gesetz erlaubt den Krankenkassen zudem abweichende Satzungsregeln bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung, sofern die Entgeltersatzfunktion gewahrt bleibt. Damit bleibt der Grundsatz erhalten, dass das Krankengeld an den zuletzt erzielten, beitragspflichtigen Lohn anknüpft, ohne Ausreißer nach oben oder unten zu privilegieren.

Selbstständige und Künstlersozialkasse: Arbeitseinkommen als Maßstab

Für freiwillig versicherte Selbstständige wird nicht auf einen Lohnstreifen, sondern auf das für die Beitragsbemessung zuletzt maßgebliche Arbeitseinkommen abgestellt.

Bei über die Künstlersozialkasse Versicherten wird das Arbeitseinkommen der letzten zwölf Monate zugrunde gelegt und durch 360 geteilt; auch hier gelten die allgemeinen Höchstgrenzen.

Damit wird das Krankengeld an die spezifische Einkommenslogik außerhalb klassischer Beschäftigungsverhältnisse angepasst.

Rechenbeispiel als Orientierung

Verdient eine Arbeitnehmerin zuletzt 3.000 Euro brutto im Monat und beträgt ihr monatliches Netto 2.050 Euro, ergibt sich auf Tagesbasis zunächst ein Regelentgelt von 100 Euro (3.000 geteilt durch 30). 70 Prozent hiervon entsprechen 70 Euro pro Tag. 90 Prozent vom Netto ergeben auf Tagesbasis 61,50 Euro (2.050 geteilt durch 30, davon 90 Prozent).

Da der Nettodeckel niedriger ist, bildet er die maßgebliche Grenze. Auf diesen Bruttobetrag fallen noch Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung an, sodass der tatsächliche Auszahlungsbetrag darunter liegt. Dieses Schema entspricht den gesetzlich vorgesehenen Prüf- und Deckelungsstufen.

Fazit: Maßgeblich ist das beitragspflichtige, zuletzt erzielte Entgelt – mit klaren Korrekturen

Die Frage, welches Gehalt beim Krankengeld zugrunde gelegt wird, beantwortet das Gesetz eindeutig: Es zählt das beitragspflichtige, regelmäßig erzielte Entgelt der letzten Abrechnungsperiode vor der Krankschreibung, bei Monatseinkommen auf dreißig Tage verteilt und ergänzt um einen anteiligen Einmalzahlungsbetrag aus den letzten zwölf Monaten.

Daraus entstehen 70 Prozent Krankengeld, gedeckelt auf 90 Prozent des Netto und auf den gesetzlichen Höchstbetrag, der sich aus der Beitragsbemessungsgrenze ergibt. Abgezogen werden anschließend Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.