Beim Bürgergeld gilt das Monatsprinzip. Dies bedeutet: Hilfebedürftigkeit definiert sich nach der Einkommenslage im gesamten Monat. Im Einzelfall missbrauchen Leistungsbezieher das Recht, wenn Sie einen Anspruch auf höhere Leistungen darauf stützen, dass das Jobcenter ihnen in einem anderen Monat desselben Bewilligungszeitraums zu hohe Leistungen ausgezahlt hat.
Im konkreten Fall ging es darum, dass Leistungsberechtigte wegen Direktzahlungen des Jobcenters keine offenen Forderungen des Vermieters erfüllen mussten, und das Monatsprinzip für insgesamt höhere Leistungen nutzten. Dabei war der tatsächliche Bedarf in jedem Monat des Bewilligungszeitraums vollständig gedeckt.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt warf den Betroffenen vor, die gesetzliche Konstellation gezielt auszunutzen, um zum Nachteil der Allgemeinheit höhere Leistungen zu erhalten, (L 2 AS 17/22)
Inhaltsverzeichnis
Für welchen Monat ist ein Guthaben zu berücksichtigen
Die betroffenen Leistungsberechtigten klagten vor dem Sozialgericht und danach vor dem Landessozialgericht, um höhere Leistungen für Kostend er Unterhunft und Heizung für Februar 2019 durchzusetzen.
Im Kern ging es um die Frage, in welchem Monat ein Betriebskostenguthaben leistungsmidnernd anzurechnen war.
Kosten der Unterkunft gehen direkt an Vermieterin
Die betroffene Klägerin, ihr Partner und ihre beiden Kinder lebten in einer Mietwohnung mit 317,93 Euro Grundmiete, Nebenkostenvorausszahlung von 62,42 Euro und Heizkostenvorauszahlung von 158,65 Euro. Das Warmwasser wurde dezentral erzeugt.
Von November 2018 bis April 2019 bewilligte das Jobcenter Leistungen von insgesamt 1.515,30 Euro pro Monat. Die Leistungen der Kosten der Unterkunft in Höhe von 539,00 Euro zahlte die Behörde direkt an die Vermieterin.
Am 23. November 2018 rechnete die Vermieterin die Betriebskosten für 2017 ab und dies ergab eine Gutschrift von 344,52 Euro. Das Jobcenter verrechnete die Miete für Februar 2019 mit einem Teil des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung. Die verbliebenen 73,30 seien an die Leistungsberechtigte (die Klägerin) überwiesen worden.
Neuer Änderungsbescheid berücksichtigt Gutschrift
Im Januar 2019 verfasste das Jobcenter einen Änderungsbescheid und berücksichtigte dabei die erhöhten Regelsätze. Für Februar 2019 berechnete das Jobcenter die Kosten der Unterkunft in Höhe von 267,78 Euro, nachdem das Nebenkostenguthaben in Höhe von 271,22 Euro abgezogen worden war. 73,30 Euro davon wurden „als Kürzung der Monate 11/17 und 12/17“ abgezogen.
Das Gericht führt aus: „In diesen beiden Monaten hatte der Beklagte bei der Leistungsberechnung nicht die tatsächlichen KdUH-Bedarfe i.H.v. 539 € pro Monat, sondern nur die als angemessen erachteten i.H.v. 502,35 € berücksichtigt. Der Leistungsbetrag für Februar 2019 belief sich infolgedessen auf 1.272,60 €, wovon 267,78 € laut Bescheid an die Vermieterin gezahlt wurden.“
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Bescheid prüfenDie Leistungsberechtigten erhoben Klage vor dem Sozialgericht und behaupteten, das Betriebskostenguthaben sei fehlerhaft im Februar 2019 angerechnet worden. Es hätte vielmehr im Dezember 2018 oder im Januar 2019 angerechnet werden müssen.
Sozialgericht weist Klage ab
Das Sozialgericht wies die Klage ab und begründete dies folgendermaßen :“In Absprache mit (…) den Klägern habe der Beklagte die Mietzahlung an die Vermieterin durchgeführt; bezüglich der Abwicklung des Guthabens seien sowohl die Vermieterin als auch die Kläger passiv geblieben; angerechnet auf Leistungen nach dem SGB II würden nur Zuflüsse, die den Leistungsberechtigten tatsächlich zur Deckung ihrer Bedarfe zur Verfügung stehen.
Soweit die Kläger darauf abstellten, dass das Betriebskostenguthaben ihnen entweder im November oder im Dezember 2018 zur Verfügung gestanden habe, also die Anrechnung im Dezember 2018 oder im Januar 2019 hätte erfolgen müssen, übersähen sie, dass eine Überweisung vor Ablauf der in der Betriebskostenabrechnung erwähnten Prüf- und Einspruchsfrist von vier Wochen kaum vorstellbar sei.“
Es geht nur um höhere Leistungen
Die Leistungsberechtigten gingen in Berufung vor das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt. Sie machten deutlich, dass es ihnen nur darum ging, höhere Leistungen für Februar 2019 ohne Berücksichtigung eines Betriebskostenguthabens zu erhalten.
Sie argumentierten, das Jobcenter hätte das Guthaben bereits im Januar 2019 anrechnen müssen, dass sie die Auszahlung schon im Dezember 2018 hätten verlangen können (was sie allerdings nicht taten). Deshalb müssten sie für Februar 2019 weitere 271,22 Euro erhalten.
Landessozialgericht weist die Klage ab
Das Landessozialgericht wies die Klage zurück und sparte nicht mit kritischen Worten gegenüber den Leistungsberechtigten. Die Richter führten aus: „Eine Überzahlung von Leistungen in einem Monat führte grds. nicht zu einer Minderung des Anspruchs für einen anderen Monat. Diese gesetzliche Konzeption wollen die anwaltlich vertretenen Kläger gezielt ausnutzen, um zum Nachteil der Allgemeinheit insgesamt höhere Leistungen zu erhalten, als ihnen zustehen und ihrem Bedarf entsprechen.
Ihnen ist bewusst, dass sie – eine fehlerhafte zeitliche Zuordnung des Betriebsguthabens unterstellt – in einem anderen Monat des Bewilligungszeitraums in genau dem Umfang überzahlt worden sind, in dem sie für Februar 2019 noch Leistungen beanspruchen.“
Kein ungedeckter Bedarf vorhanden
Zudem hätten die Kläger auch bei isoliert monatsweiser Betrachtung zu keinem Zeitpunkt einen realen ungedeckten Bedarf gehabt. Es hätte keine Zahlungsansprüche ihrer Vermieterin gegeben.
Den Leistungsberechtigten ginge er lediglich darum, „von einer rechtlichen Zuordnungsregel, die eigentlich dazu dient, Überzahlungen zu vermeiden (…) derart zu profitieren, dass sie zulasten der Allgemeinheit über ihren tatsächlichen KdUH-Bedarf hinaus weitere Leistungen erhalten.“