Ein auรergewรถhnlicher Fall beschรคftigte das Sozialgericht Mannheim. Ein Mann, der bereits zwรถlf Jahre einen Grad der Behinderung von 100 anerkannt hatte, begehrte auรerdem einen Einzelgrad der Behinderung fรผr eine Funktionsbeeintrรคchtigung im Sprunggelenk mit einem Einzelgrad von 30 sowie die Anerkennung des Merkzeichens G fรผr eine erhebliche Gehbehinderung. Die Richter wiesen die Klage als unbegrรผndet ab. (S 2 SB 838/19)
Inhaltsverzeichnis
Chronische Psychose und GdB 100
Der Betroffene leidet an einer chronischen schizophrenen Psychose. Seit Dezember 2005 hat das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis bei ihm einen Grad der Behinderung von 100 wegen dieser Erkrankung festgestellt.
Der Betroffene fordert das Merkzeichen G
Er beantragte mehrfach beim Landratsamt, die Voraussetzungen fรผr das Merkzeichen G festzustellen (in der Jahren 2004, 2011, 2012 und 2015). Dieses Merkzeichen definiert eine erheblich beeintrรคchtigte Bewegungsfรคhigkeit im Straรenverkehr.
Es berechtigt zu Nachteilsausgleichen wie kostenloser Nutzung des รถffentlichen Nahverkehrs oder einer ermรครigten KFZ-Steuer. Das Landratsamt lehnte sein Begehren jedesmal ab.
Schreiben an Landtag und Bundestag
Im Dezember 2018 verlangte er zudem die Anerkennung der Funktionsbeeintrรคchtigungen im rechten Sprunggelenk mit einem Einzel-GdB von 30, mindestens aber von 20. Dieses Begehren schickte er unter anderem an die Petitionsausschรผsse des Deutschen Bundestages und des Landtages von Baden-Wรผrttemberg.
Landratsamt lehnt Feststellung eines Einzelgrades der Behinderung ab
Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis lehnte den Antrag auf Neufeststellung des Grades der Behinderung ab. Es begrรผndete diese Ablehnung damit, dass ein Grad der Behinderung von 100 bereits anerkannt sei, und deswegen sei kein Feststellungsverfahren mehr durchzufรผhren.
Der Betroffene legte Widerspruch ein, und das Regierungsprรคsidium Stuttgart wies den Widerspruch zurรผck. Daraufhin klagte der Betroffene vor dem Sozialgericht Mannheim, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Klรคger erscheint nicht zur Verhandlung
Vor dem Sozialgericht wiederholte der Betroffene seine Forderungen nach einem Einzelgrad der Behinderung von 30 wegen seines Sprunggelenks in Verbindung mit der Anerkennung des Merkzeichens G.
Das Gericht entschied, obwohl fรผr den Klรคger niemand zur mรผndlichen Verhandlung erschien. Dies war mรถglich, weil der Betroffene mit Hinweis darauf per Post ordnungsgemรคร zur mรผndlichen Verhandlung geladen worden war.
Klage wegen Merkzeichen G ist unzulรคssig
Hinsichtlich der Anerkennung des Merkzeichens G erklรคrten die Richter die Klage fรผr unzulรคssig. Der Betroffene sei hier nicht klagebefugt, da keine negative Verwaltungsentscheidung vorliege, gegen die er sich wehren kรถnne. Eine Verletzung subjektiver Rechte komme nicht in Betracht, weil keine gerichtlich รผberprรผfbare Verwaltungsentscheidung vorhanden sei.
Kein Anspruch auf Feststellung eines Einzelgrades der Behinderung
Im รbrigen sei die Klage unzulรคssig. Es gebe keine Rechtsgrundlage fรผr einen Anspruch auf die Feststellung eines Einzelgrades der Behinderung. Dabei beriefen sich die Richter auf mehrere Urteile des Bundessozialgerichts (B 9/9aRVs 2/92; 9RVs 15/96).
Erklรคrung zum Grad der Behinderung
Behinderungen werden in Zehnerstufen auf einer Skala von 10 bis 100 nach ihrer Schwere bewertet. 10 ist die leichteste Behinderung, und 100 der hรถchste Grad. Es kann fรผr niemanden einen Grad der Behinderung รผber 100 geben, was bei einem zusรคtzlichen Einzelgrad von 30 der Fall wรคre.
Zwar kann auf Antrag des Betroffenen eine Neufeststellung des Grades der Behinderung gefordert und durchgefรผhrt werden (und ebenso auf Initiative der zustรคndigen Behรถrde). Aber dabei wird der Gesamtgrad der Behinderung geprรผft und bewertet und nicht nur ein Einzelgrad einer bestimmten Funktionsbeeintrรคchtigung.