Hartz IV: Vorlage Kontoauszüge auch ohne Verdacht

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Hartz IV: Das Bundessozialgericht urteilte: Auch ohne Missbrauchsverdacht müssen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die Kontoauszüge der letzten 3 Monate vorlegen.

Hartz IV: Das Bundessozialgericht (BSG: Az. B 4 AS 10/08 R) urteilte: Auch ohne Missbrauchsverdacht müssen Empfänger von Hartz IV Leistungen nach dem SGB II im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die Kontoauszüge der letzten 3 Monate vorlegen.

Das Recht der Grundsicherungsträger, sich bei jedem erneuten Leistungsantrag Kontoauszüge vorlegen zu lassen, ist die Kehrseite der Mitwirkungsobliegenheiten, die Empfängern von Sozialleistungen ganz allgemein und auch ALG II Hilfeempfänger treffen. Der Senat schließt sich hierbei der Rechtsauffassung des 14. Senats B 14 AS 45/07 R – an. Danach gilt im Wesentlichen Folgendes: Nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Mitwirkungsobliegenheiten des SGB I gelten auch im Rahmen des SGB II. Die in den §§ 60 bis 67 SGB I niedergelegten Mitwirkungsobliegenheiten bleiben ergänzend anwendbar, solange und soweit das Normprogramm der besonderen Mitwirkungsobliegenheiten des SGB II dies nicht ausschließt, also den Lebenssachverhalt nicht ausdrücklich oder stillschweigend abweichend und/oder abschließend regelt.

Das SGB II ist für eine ergänzende Anwendung der §§ 60 ff SGB I grundsätzlich offen (ebenso Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 56 RdNr 3, Stand November 2004; Reinhardt in Krahmer, Hrsg, LPK-SGB I vor §§ 60 bis 67, RdNr 2). Zwar sind verschiedene Mitwirkungsobliegenheiten der Antragsteller bzw Leistungsempfänger im SGB II auch ausdrücklich und explizit normiert (vgl §§ 56, 58 Abs 2 und 59 SGB II). Sie stellen jedoch eine bereichsspezifische Ausgestaltung der allgemeinen Mitwirkungsvorschriften des SGB I dar. Ergänzend ist dabei jeweils auf die in §§ 60 ff SGB I normierten Pflichten abzustellen.

Bei den geforderten Kontoauszügen handelt es sich um Beweismittel bzw Beweisurkunden iS des § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB I. Die in den Kontoauszügen enthaltenen Daten geben Aufschluss über die Höhe der Ein- und Ausgänge, das Buchungsdatum, den Empfänger bzw Absender der Buchung und im Regelfall auch über den Grund des Ein- bzw Ausgangs der Zahlung. Ein Kontoauszug ist damit eine Beweisurkunde (vgl Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl 2008, Vor §§ 56 – 62, RdNr 32 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 21 Oktober 2004 – IX ZR 59/04 = BGHZ 161, 1, 2 und 4; vgl auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3 Januar 2008 – L 8 AS 5486/07 ER B mit Anm Klaus juris-PR – SozR 4/2008 Anm 2) , jedenfalls aber ein Beweismittel iS des § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB I. Hierfür sprechen auch die Motive des Gesetzgebers des SGB I (BT-Drucks 7/868 zu § 60) , der davon ausgeht, dass alle Beweismittel (im untechnischen Sinne) vorzulegen sind, die für den Anspruch relevant sind.

Auch aus § 65 SGB I kann keine Einschränkung der Mitwirkungsobliegenheit dahingehend abgeleitet werden, dass nur bei einem konkreten Verdacht jeweils die Vorlage von bestimmten Beweisurkunden vom Sozialleistungsempfänger gefordert werden könnte. Die Mitwirkungsobliegenheiten der §§ 60 ff SGB I bestehen dann auch grundsätzlich unabhängig vom Vorliegen von Verdachtsmomenten gegen den Leistungsempfänger. Die von der Klägerin geforderten Unterlagen sind von ihr schließlich auch nicht unverhältnismäßig schwer beizubringen.

Der erkennende Senat folgt dem 14. Senat des BSG auch, soweit er Einschränkungen der Auskunftsobliegenheit aus § 67 Abs 12 SGB X iVm § 67a Abs 1 Satz 2 SGB X vornimmt. Nach § 67a Abs 1 Satz 2 SGB X ist für besondere Arten personenbezogener Daten gesondert zu prüfen, ob deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist. § 67 Abs 12 SGB X nennt als besondere Arten personenbezogener Daten Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Grundsicherungsträgers – Sicherung des Lebensunterhalts und Eingliederung in Arbeit, vgl § 1 Abs 2 SGB II – ist es nicht erforderlich, dass dieser Kenntnis über das Ausgabeverhalten der Grundsicherungsempfänger in den in § 67 Abs 12 SGB X genannten Bereichen erlangt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Adressaten/Empfänger der Zahlungen. Geht etwa aus den Empfängerangaben hervor, dass der Grundsicherungsempfänger Beiträge an eine politische Partei, Gewerkschaft oder Religionsgemeinschaft überweist, so ist die Kenntnis der jeweils begünstigten Partei, Religionsgemeinschaft etc für die Aufgaben des Grundsicherungsträgers grundsätzlich irrelevant. Allerdings muss im Hinblick auf die Regelungen in § 31 Abs 4 Nr 1 und Nr 2 SGB II, die Sanktionen bei unwirtschaftlichem Verhalten des Hilfebedürftigen vorsehen, gewährleistet bleiben, dass die vom jeweiligen Grundsicherungsempfänger überwiesenen Beträge der Höhe nach erkennbar bleiben. Geschützt ist mithin nur die Geheimhaltung des Verwendungszwecks bzw des Empfängers der Überweisung, nicht deren Höhe. Würde sich aus den insoweit geschwärzten Kontoauszügen eines Leistungsempfängers ergeben, dass in auffälliger Häufung oder Höhe Beträge überwiesen werden, so ist im Nachfolgenden jeweils im Einzelfall zu entscheiden, inwieweit ausnahmsweise nicht doch eine Offenlegung auch des bislang geschwärzten Adressaten gefordert werden kann. (05.05.2009)

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