Wenn das Jobcenter kein Bürgergeld zahlen will – und auf vorrangige Leistungen verweist

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Kindergeld, BaföG und andere Sozialleistungen stehen dem Bezug von Bürgergeld entgegen. Viele Jobcenter lehnen Anträge schnell ab oder stellen laufende Zahlungen ein und verweisen auf andere “vorrangige Sozialleistungen”. Doch damit machen sie es sich zu einfach – die Rechtslage sieht nämlich anders aus.

Ablehnung von Bürgergeldanträgen häufig

Gerd L. hatte beim Jobcenter einen Antrag auf Bürgergeld gestellt. Alle erforderlichen Unterlagen hatte er dafür eingereicht. “Ich bekam einen Ablehnungsbescheid. Ich sollte Wohngeld und Kinderzuschlag beziehen und dort einen Antrag stellen. Das habe ich dann auch gemacht. Aber jetzt warte ich schon 2 Monate auf die Bewilligung meines Antrages bei der Wohngeldstelle. Ich habe aber kein Geld, um mich über Wasser zu halten! Was soll ich tun?”

Solche und ähnliche Anfragen erhalten wir in letzter Zeit häufiger von Betroffenen. Die Jobcenter verweigern die Leistungen. Nach dem Prinzip: “Fall vom Tisch. Nächster Fall.” Doch damit machen es sich die Jobcenter zu einfach.

Was sind vorrangige Leistungen?

Zunächst zur allgemeinen Rechtslage: Bestimmte Leistungen sind vorrangig und können den Anspruch auf Bürgergeld ausschließen. Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Bürgergeld ist die Bedürftigkeit und die Frage, ob andere Leistungen für den Lebensunterhalt ausreichen. Vorrangige Leistungen sind zum Beispiel:

  • Kinderzuschlag
  • Wohngeld
  • BAföG-Leistungen
  • Alters- oder Hinterbliebenenrente

Das Jobcenter muss Vorleistungen zahlen und einspringen

Natürlich weiß auch das Jobcenter, dass andere Leistungen Vorrang haben. Oft wird dies als Vorwand genommen, um Anträge abzulehnen oder Zahlungen einzustellen. Dies ist aber nur dann rechtmäßig, wenn tatsächlich sofort oder zeitnah Hilfe gewährt wird. Andernfalls muss das Jobcenter in Vorleistung treten.

Dies wird nicht nur von der Rechtsprechung so gesehen, sondern auch von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die die Jobcenter bereits entsprechend angewiesen hat. Zu § 67 SGB II schreibt die BA:

Wenn ein vorrangiger Anspruch auf Kinderzuschlag festgestellt wird, muss das Jobcenter in der Regel Vorleistungen erbringen, um den Lebensunterhalt zeitnah zu sichern. Das bedeutet, dass Leistungen gemäß dem SGB II bewilligt werden müssen und ein Erstattungsanspruch angemeldet werden muss. Dies gilt auch für andere vorrangige Leistungen.

Bei den Leistungen des Bürgergeldes handelt es sich um so genannte Rechtsanspruchsleistungen. Sie müssen erbracht werden, wenn Hilfebedürftigkeit vorliegt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Antragsteller selbst ausdrücklich darauf verzichtet.

Urteil des Bundessozialgerichts

So urteilte auch das Bundessozialgericht: „Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme als “bereites Mittel” geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken“ (AZ: B 14 AS 161/11 R).

In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass Anträge auf Wohngeld oder Kinderzuschlag nur schleppend bewilligt werden. Oft wissen die Leistungsempfänger/innen auch gar nicht, dass sie weitere Hilfen in Anspruch nehmen können. Hier ist das Jobcenter gefragt.

Achtung: Das Jobcenter kann den Antrag auch selbst stellen: Gemäß § 5 Abs. 3 SGB II hat das Jobcenter die Möglichkeit, Sozialhilfeanträge für die Antragstellungen selbst zu stellen.

Jobcenter darf nicht einfach Leistungen einstellen

Auch wenn ein Anspruch auf weitere Leistungen besteht, darf das Jobcenter die Zahlungen nicht einfach komplett einstellen. Nach § 40 Abs. 2 SGB II soll die Behörde in solchen Fällen zunächst nur eine Teilzahlung veranlassen. Eine vollständige Kürzung darf nur als letztes Mittel erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Antragsteller nicht bedürftig ist.

Gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid des Jobcenters, der auf vorrangige Leistungen verweist, sollte demnach Widerspruch eingelegt werden. Hilfen dafür bieten Fachanwälte für Sozialrecht oder Erwerbslosenberatungsstellen.

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