Weniger Sozialhilfe bei russischer Zusatzrente

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BSG: Rente für Leningrad-Überlebende wird aber nicht angerechnet

01.07.2016

Kassel (jur). Russische Zusatzrenten für die „Teilnahme am Großen vaterländischen Krieg“ oder auch erhöhte Invalidenrenten für russische Weltkriegsveteranen gelten grundsätzlich Einkommen und mindern die deutsche Sozialhilfe. Renten für „Überlebende der Leningrader Blockade“ dürfen wegen ihres Entschädigungscharakters dagegen nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden, urteilte am Donnerstag, 30. Juni 2016, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 3/15 R).

Im entschiedenen Fall hatten ein in Duisburg lebender jüdischer, russischer Rentner sowie seine Cousine höhere Sozialhilfeleistungen von der Stadt beansprucht. Sie leben seit dem Jahr 2000 in Deutschland. Die Stadt rechnete sämtliche aus Russland erhaltenen Rentenleistungen als Einkommen mindernd auf die Sozialhilfe an.

Dazu zählte nicht nur ihre reguläre russische Altersrente, sondern für den Mann auch eine erhöhte Invalidenrente sowie zusätzliche Rentenzahlungen in Höhe von monatlich 1.000 Rubel (heute 14 Euro) für die „Teilnahme am Großen vaterländischen Krieg“ gegen Nazi-Deutschland und für seine Cousine Leistungen in Höhe von 500 Rubel (sieben Euro) als Trägerin des Zeichens „Überlebende der Leningrader Blockade“.

Die Anrechnung der Zusatzrenten als Einkommen hielten die Kläger für rechtswidrig. Diese seien vergleichbar mit Entschädigungsleistungen, wie sie beispielsweise auch KZ-Überlebende erhalten, und fielen daher nicht unter den Einkommensbegriff.

Die Stadt hielt dies nicht für vergleichbar. Die Kläger würden die Renten erhalten, nur weil sie einer bestimmten Personengruppe angehören und Präsident Putin den Weltkriegsveteranen damit ein Wahlgeschenk habe machen wollen. Ob die Renten ähnlich wie Entschädigungen zu betrachten seien, hänge jedoch davon ab, dass die Betroffenen konkrete Verletzungshandlungen erdulden mussten.

Das BSG verwies das Verfahren wegen fehlender Tatsachenfeststellungen zwar an das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zurück. Die Kasseler Richter urteilten jedoch, dass die erhöhte Invalidenrente und auch die Leistungen für Träger des Zeichens „Teilnahme am Großen vaterländischen Krieg“ die Sozialhilfe grundsätzlich mindern.

Maßgeblich für eine Nicht-Anrechnung der Zahlung auf die Sozialhilfe sei letztlich der Entschädigungscharakter. Bei der Rente für Überlebende der Leningrader Blockade sei dies der Fall. Es reiche hier aus, dass die Klägerin sich in dieser besonderen Situation befunden hat. Ob dies tatsächlich zutraf, müsse das LSG aber noch feststellen.

Die Deutsche Wehrmacht hatte vom 8. September 1941 bis 27. Januar 1944 Leningrad, das heutige St. Petersburg, vollständig eingekesselt. Die Stadt und ihre Bevölkerung sollten vernichtet werden. Schätzungen gehen infolge der Blockade von 1,1 Millionen Toten auf Seiten der Leningrader Bevölkerung aus. Die meisten Menschen verhungerten. fle/mwo

Bild: Alexander Raths – fotolia

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