Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat ein Urteil gefällt, das sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer bei der Regelung von Abfindungen von besonderer Bedeutung ist.
Die Entscheidung befasst sich mit der vorzeitigen Auszahlung einer Abfindung nach einem Aufhebungsvertrag, die nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprach, weshalb ein Anspruch auf Schadenersatz für den Gekündigten entstand. (LAG Köln, AZ: 7 Sa 584/23)
Inhaltsverzeichnis
Abfindung löste hohe Steuerlast aus
In dem vorliegenden Fall hatten die Parteien eines Arbeitsverhältnisses eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Jahresende vereinbart. Im Rahmen dieser Aufhebungsvereinbarung sollte der Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe von 75.000 Euro erhalten.
Auf Wunsch des Arbeitnehmers wurde festgehalten, dass diese Abfindung erst im Januar des Folgejahres ausgezahlt werden sollte, um steuerliche Vorteile zu nutzen.
Trotz dieser Vereinbarung zahlte der Arbeitgeber die Abfindung bereits im Dezember des Vorjahres aus, was dazu führte, dass der Arbeitnehmer erhebliche steuerliche Nachteile in Höhe von rund 30.000 Euro geltend machte. Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage und forderte Schadenersatz.
Die Entscheidung des Gerichts: Wann liegt eine Pflichtverletzung vor?
Das LAG Köln entschied in Teilen zugunsten des Arbeitnehmers. Obwohl der Kläger nicht ausreichend nachweisen konnte, dass ihm der geltend gemachte Steuerschaden in voller Höhe entstanden war, stellte das Gericht fest, dass die vorzeitige Zahlung der Abfindung grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch auslösen könnte.
Der Grund: Der Arbeitgeber hatte die vertraglich festgelegte Fälligkeit missachtet und die Zahlung zu einem Zeitpunkt geleistet, der nicht vereinbart war.
Das Gericht verwies dabei auf die §§ 280 Abs. 1 und 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die eine Schadenersatzpflicht vorsehen, wenn eine Partei ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Im vorliegenden Fall wurde die vorzeitige Auszahlung der Abfindung als solche Pflichtverletzung eingestuft.
Wie werden Fälligkeitstermine in Verträgen interpretiert?
Gemäß dem BGB können Leistungen zwar grundsätzlich auch vor dem vereinbarten Fälligkeitstermin erbracht werden (§ 271 Abs. 2 BGB), sofern keine ausdrückliche abweichende Vereinbarung getroffen wurde.
Doch in diesem Fall sah das Gericht die vertragliche Vereinbarung als eindeutig an: Die Abfindung sollte erst im Januar 2023 gezahlt werden. Da der Kläger im Vorfeld ausdrücklich erklärt hatte, dass die spätere Auszahlung für ihn eine Bedingung für den Vertragsabschluss war, musste der Arbeitgeber diese Abmachung respektieren.
Welche steuerlichen Auswirkungen können vorzeitige Zahlungen haben?
Das wichtigste Argument des Klägers war der entstandene Steuerschaden. Bei Abfindungen, die im gleichen Jahr wie das Arbeitsverhältnis gezahlt werden, kann es aufgrund des progressiven Steuersatzes zu einer höheren Steuerbelastung kommen. Abfindungen, die im Folgejahr gezahlt werden, können hingegen von Steuervergünstigungen profitieren, insbesondere wenn das Jahreseinkommen dann niedriger ausfällt.
Der Kläger führte aus, dass die Abfindung im Folgejahr steuerlich deutlich günstiger gewesen wäre, und bezog sich dabei auf Berechnungen seiner Steuerberaterin.
Doch das Gericht betonte, dass eine genaue Schadenshöhe erst dann festgestellt werden kann, wenn die steuerlichen Verhältnisse des Folgejahres vollständig vorliegen. Vorausberechnungen reichen hierfür nicht aus.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
1. Präzise Vertragsgestaltung
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen auf präzise und eindeutige Formulierungen achten, insbesondere wenn es um den Fälligkeitstermin von Abfindungen geht. Im vorliegenden Fall wäre es sinnvoll gewesen, klare Regelungen über die Unzulässigkeit einer vorzeitigen Auszahlung zu treffen, um Missverständnisse zu vermeiden.
2. Bedeutung der steuerlichen Beratung
Da Abfindungen steuerlich erhebliche Auswirkungen haben können, sollten sich Arbeitnehmer frühzeitig steuerlich beraten lassen. Eine gute Beratung kann dabei helfen, finanzielle Nachteile zu minimieren und optimale Lösungen zu finden. Dies zeigt auch der vorliegende Fall, in dem der Kläger seine Zustimmung zur Aufhebungsvereinbarung explizit von der späteren Auszahlung der Abfindung abhängig machte.
3. Pflicht zur Einhaltung von Vereinbarungen
Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber vertragliche Vereinbarungen respektieren müssen. Eine vorzeitige Erfüllung einer Zahlungspflicht kann dann problematisch werden, wenn sie den Interessen der anderen Partei entgegensteht – wie etwa im Falle steuerlicher Nachteile.
Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Praxis?
Das Urteil des LAG Köln hat gezeigt, dass die Missachtung vertraglicher Fälligkeitstermine bei Abfindungszahlungen zu erheblichen Konsequenzen führen kann. Arbeitnehmer, die eine steuerlich vorteilhafte Regelung treffen möchten, sollten darauf achten, dass der vereinbarte Auszahlungstermin unmissverständlich und gegebenenfalls mit klaren Zusatzregelungen versehen wird.
Das Urteil zeigt zudem, dass der vermeintlich “harmlose” Akt einer vorzeitigen Auszahlung erhebliche finanzielle Folgen haben kann, so auch Christian Lange, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hannover.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors