Versicherter Wegeunfall auch nach Besuch bei der Freundin

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BSG: Zwei Stunden Aufenthalt an anderem Ort fรผhrt zu Unfallschutz

Nicht nur der Arbeitsweg von Zuhause bis zum Arbeitsplatz, sondern auch der direkte Weg von einem anderen Ort zur Arbeit kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Voraussetzung hierfรผr ist, dass der Beschรคftigte sich mindestens zwei Stunden an dem sogenannten dritten Ort aufgehalten hat und er sich auf unmittelbaren Weg zur Arbeit begeben will, urteilte am Donnerstag, 31. Januar 2020, das Bundessozialgericht (BSG) in zwei Fรคllen (Az.: B 2 U 2/18 R und B 2 U 20/18 R). Keine Rolle spiele es dagegen mehr fรผr den Unfallschutz, ob der Weg von dem anderen Ort zur Arbeit deutlich lรคnger ist oder hรถhere Unfallrisiken aufweist, so die Kasseler Richter, die damit ihre bisherige Rechtsprechung teilweise รคnderten.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf dem unmittelbaren direkten Weg โ€žvon und nach dem Ort der Tรคtigkeit” gesetzlich unfallversichert. Nach der bisherigen Rechtsprechung kann zudem auch Unfallschutz bestehen, wenn von einem anderen Ort als Zuhause der Weg zur Arbeit unmittelbar angetreten wird. Hierfรผr muss der Beschรคftigte sich mindestens zwei Stunden an diesem โ€ždritten Ort” aufgehalten haben. Bislang durfte dieser Weg โ€“ im Verhรคltnis zum รผblichen Arbeitsweg โ€“ aber nicht zu weit sein.

Im ersten, nun vom BSG entschiedenen Verfahren war der als Auslieferungsfahrer beschรคftigte Klรคger bei seinen Eltern in Dormagen bei Dรผsseldorf gemeldet. Der Weg zur Arbeit betrug von dort lediglich zwei Kilometer. Werktags fuhr der Mann jedoch zu seiner damaligen Freundin nach Mรถnchengladbach und รผbernachtete dort. Dies war auch am 9. September 2004 der Fall. Als er morgens von dort denn 44 Kilometer langen Weg zu seiner Arbeitsstรคtte fuhr, erlitt er mit seinem Pkw einen Unfall. Dabei verletzte er sich an den Beinen schwer.

Die zustรคndige Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik lehnte die Anerkennung als versicherten Wegeunfall ab. Der 44 Kilometer lange Weg zwischen dem dritten Ort – der Wohnung der Freundin – und der Arbeitsstรคtte sei im Verhรคltnis zu dem รผblichen Arbeitsweg von nur zwei Kilometern unverhรคltnismรครŸig lang.

Auch im zweiten Fall lehnte der Unfallversicherungstrรคger, die Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, die Anerkennung als Wegeunfall ab. Hier hatte der Klรคger morgens behinderte Personen zu einer Werkstatt fรผr behinderte Menschen gebracht und und nachmittags wieder abgeholt. Am 14. Oktober 2015 fuhr er nach seiner ersten Tour zu einem Freund, wo er sich lรคnger als zwei Stunden aufhielt. Als er dann zur Werkstatt fahren wollte, verunglรผckte er mit seinem Motorrad.

Die Berufsgenossenschaft hatte einen Wegeunfall nicht anerkannt. Die Fahrt zum Freund sei aus privaten Grรผnden erfolgt. Zwar sei die Wohnung des Freundes als โ€ždritter Ort” anzusehen. Die Entfernung zur Arbeitsstรคtte sei aber dreimal so lang gewesen, wie der รผbliche Arbeitsweg โ€“ und damit nicht mehr angemessen.

Doch in beiden Fรคllen gab das BSG den Klรคgern nun recht. Sie hรคtten Anspruch auf Anerkennung eines versicherten Wegeunfalls. Sowohl die Wohnung der Freundin im ersten Verfahren als auch die Wohnung des besuchten Freundes im zweiten Rechtsstreit seien als โ€ždritter Ort” anzusehen. Die Klรคger hรคtten dort lรคnger als zwei Stunden verbracht und sich dann auf den direkten Weg zur Arbeit begeben. Dies reiche fรผr den Unfallversicherungsschutz aus.

Es komme nicht mehr darauf an, ob der Weg vom โ€ždritten Ort” unverhรคltnismรครŸig weit oder besonders risikoreich ist, so die Kasseler Richter. Von frรผheren, teils gegenteiligen Urteilten rรผckte der 2. BSG-Senat ab. Zur โ€žHerstellung von Rechtsanwendungssicherheit” komme es allein darauf an, dass Beschรคftigte sich mindestens zwei Stunden am dritten Ort aufgehalten haben und von dort auf direktem Weg zur Arbeitsstรคtte fahren wollten.

Am 5. Juli 2016 hatte das BSG die Klage eines Lagerarbeiters dagegen abgewiesen (Az.: B 2 U 16/14 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Dieser war wรคhrend seiner Arbeitszeit zum Arzt gefahren. Als er dann wieder zur Arbeit wollte, erlitt er einen Autounfall. Da der Mann weniger als zwei Stunden in der Praxis war, hatte er keinen Anspruch auf Unfallversicherungsschutz. fle/mwo