Sozialhilfe: Sozialamt muss trotz Freundeshilfe Umzugskosten bezahlen

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Die Freundeshilfe wurde dem Leistungsempfรคnger lediglich vorgestreckt anstelle des Sozialamtes, so dass das Sozialamt zur nachtrรคglichen Erbringung der Umzugskosten verpflichtet war.

1. Zuwendungen, mit denen ein Dritter vorlรคufig โ€“ gleichsam anstelle des Jobcenters/Sozialamt und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens โ€“ einspringt, weil der Trรคger die Leistung nicht rechtzeitig bewilligt hat, entbinden das Jobcenter nicht von seiner Leistungsverpflichtung (LSG Hamburg, Urteil vom 23.2.2017 โ€“ L 4 AS 15/15 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 20.12.2011 โ€“ B 4 AS 46/11 – ).

Zwischenzeitliche Selbstbeschaffung

Dem Leistungsbezieher darf eine zwischenzeitliche Selbstbeschaffung der begehrten Leistung unter dem Gesichtspunkt einer Zweckverfehlung der ursprรผnglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden (BSG, Urteil vom 6.10.2011 โ€“ B 14 AS 66/11 – ).

Unaufschiebbarkeit des Bedarfs – Umzugskosten

Wegen der Unaufschiebbarkeit des Bedarfs darf der Hilfebedรผrftige bis zur endgรผltigen Klรคrung der Leistungspflicht des Jobcenters รผbergangsweise eine andere Regelung suchen.

Wenn keine Stundung mรถglich ist

Wenn es nicht mรถglich ist, die Verpflichtungen aus eingegangenen Verbindlichkeiten stunden zu lassen, bliebe es dem Hilfebedรผrftigen etwa unbenommen, zu marktรผblichen Konditionen ein verzinsliches Darlehen aufzunehmen.

Unabwendbar Mehrkosten trรคgt dann das Jobcenter/ Sozialamt wie etwa Zinsen

Wenn unabwendbar Mehrkosten entstรผnden, wรคren auch sie gegebenenfalls vom Jobcenter zu erstatten ( – BSG, Urteil vom 6.10.2011 โ€“ B 14 AS 66/11 – ).

Hilfebedรผrftige kรถnnen vorrangig auf freiwillige und kostengรผnstigere Angebote Dritter zurรผckzugreifen

Denn nicht zu beanstanden ist, wenn Hilfebedรผrftige vorrangig auf freiwillige und kostengรผnstigere Angebote Dritter zurรผckzugreifen, die auf freundschaftlicher oder familiรคrer Verbundenheit beruhen.

Anspruch auf Kostenรผbernahme fรผr die Umzugskosten entfรคllt dadurch nicht

Einen ursprรผnglich bestehenden Anspruch lassen solche Bemรผhungen nicht entfallen, wenn feststeht, dass dem Dritten im Falle des Obsiegens die zugewandten Leistungen zurรผckerstattet werden. So aber lag es hier.

So entschieden vom LSG Hamburg – L 4 SO 79/17 –

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Bei Vorliegen einer Ausnahme kann auch ohne vorherige Zustimmung ein Anspruch auf รœbernahme von Umzugskosten, aber auch Wohnungsbeschaffungskosten, Renovierungskosten bestehen.

Das gilt nach der Rechtsprechung des BSG immer dann, wenn die Einholung der vorherigen Zustimmung im konkreten Einzelfall aus wichtigen Grรผnden nicht mรถglich ist oder die Zustimmung treuwidrig vom Leistungstrรคger verzรถgert wird ( BSG, Urt. v. 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R – ).

Wie der 14. Senat des BSG bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfรคllen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht.

Hier lag so ein Fall vor, denn hier hatte das Sozialamt die Zusicherung fรผr die Umzugskosten verzรถgert, weil es weitere Kostenvoranschlรคge forderte und andere weitere Unterlagen.

Dem Sozialamt war aber bekannt, dass es dem Antragsteller zeitlich unmรถglich war, weitere Kostenvoranschlรคge einzuholen, gesundheitliche Einschrรคnkungen waren auch bekannt.

Die Kostenรผbernahme war somit auch im Nachhinein vorzunehmen, weil sich der Antragsteller in einer Notlage befand, sein Freund ihm half und der Antragsteller das Geld dem Freund zurรผck zahlte, sobald das Sozialamt die Umzugskosten beglich.

Fazit:

Immer dann, wenn das Jobcenter oder das Sozialamt die รœbernahme fรผr irgend welche Kosten verzรถgert, obwohl die meisten Dinge geklรคrt sind, kann es im Nachgang dazu verpflichtet werden, die Kosten zu รผbernehmen.

Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Jobcenter abgelehnte Leistung wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmรครŸigen Zustandes ersetzen und nur fรผr den Fall des Obsiegens zurรผckgezahlt werden sollen, sind kein Einkommen.

Diese Entscheidung gilt sowohl beim Bรผrgergeld, als auch in der Sozialhilfe.

Man sollte folgendes aber dringend beachten

Befindet man sich in einer Notlage, weil das Jobcenter nicht leistet und leiht sich Geld unter Verwandten, sollte dieses Darlehen schriftlich verfasst sein, mรผndliche Abreden sind aber nicht ausgeschlossen, wenn nachweisbar ( vgl. dazu SG Braunschweig S 44 AS 529/16 –

Eine fehlende Zinsvereinbarung in einem unter Verwandten gewรคhrtem Privatdarlehen steht der Anerkennung eines Darlehens im Rechtskreis des SGB II nicht entgegen ).