Sozialhilfe: Muss das Sozialamt den Internetanschluss zahlen? – Urteil

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Kein Anspruch auf Internetanschluss in der Sozialhilfe – Aber!
Auch ein Rechtsanwalt hat keinen Anspruch auf รœbernahme der Kosten fรผr einen Internetanschluss und notwendiges Equipment (Notebook/Laptop, WLAN-Router, Scanner/Drucker/Fax) auf Grundlage des SGB XII bei Nicht-Hilfebedรผrftigkeit.

Wer Leistungen zur Sozialhilfe tatsรคchlich bezieht, muss diese Kosten aus seiner Regelleistung bezahlen. Diese Kosten fallen auch nicht unter den Leistungen einer Wohnungserstausstattung (ยง 31 Abs. 1 SGB XII).

Aber! bei Umzรผgen gilt fรผr Bรผrgergeld sowie Sozialhilfeempfรคnger nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts was Anderes

Im Zusammenhang mit Umzรผgen als besonderer Bedarfslage ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es sich bei den Kosten fรผr die Umstellung eines Telefon- und Internetanschlusses (und eines Nachsendeauftrags) um unvermeidbare und gesondert zu รผbernehmende Kosten handeln kann.

Weil diese als notwendig angesehen werden, um nach einem Umzug die Kommunikation mit anderen Menschen, Behรถrden, Banken usw. aufrechtzuerhalten (so BSG, Urteil vom 10. August 2016 โ€“ B 14 AS 58/15 R -).

Der Antragsteller bezog eine Rente wegen dauerhafter Erwerbsminderung in Hรถhe von 1.037,26 โ‚ฌ (Stand Juli 2022) und bezieht mittlerweile eine Altersrente in Hรถhe von aktuell 1.123,28 โ‚ฌ (Juli 2024). Einen Antrag des Klรคgers auf Gewรคhrung (aufstockender) Leistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII lehnte die Behรถrde wegen fehlender Hilfebedรผrftigkeit ab. Ab 2023 wurden ihm Leistungen nach dem Wohngeld erbracht.

Der Klรคger beantragte erneut beim Sozialamt die รœbernahme der Kosten fรผr einen Festnetz-Internetanschluss und die Anschaffung eines Laptops, Notebooks oder Tablet-PCs (Hard- und Software).

Internet fรผr spรคtere Arbeit als Rechtsanwalt

Er benรถtige Internet sowohl als spรคterer Rechtsanwalt, aber auch fรผr Arbeitsplatz-Recherche, Wohnungsmarkt und soziale Kontakte. Ohne Internet gehe fast nichts mehr. Er sei sehr wohl hilfebedรผrftig und arm.

Sowohl die Vorinstanz als auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ( Urt. v. 27.08.2024 – L 15/8 SO 142/23 – ) lehnten den Antrag ab mangels bestehender Hilfebedรผrftigkeit.

Begrรผndung

Kosten einer Flatrate fรผr Festnetzanschlรผsse fรผr Internet sind nicht gesondert รผbernahmefรคhig, denn die Verbrauchsausgaben fรผr Kommunikationsdienstleistungen seien im Regelsatz enthalten. AuรŸerdem sei der Klรคger nicht hilfebedรผrftig ( ยง 41 SGB XII ).

Auch keine Leistungen der Wohnungserstausstattung

Auch eine รœbernahme auf Grundlage des ยง 31 SGB XII scheide aus, weil es sich bei einem Computer nicht um einen wohnraumbezogenen Gegenstand und auch kein Haushaltsgerรคt handele.

Bereitstellung eines Internetanschlusses kann bei den Umzugskosten berรผcksichtigungsfรคhig sein

Das Gericht betont, dass eine รœbernahme denkbar wรคre im Falle eines Umzugs kรถnnten die Kosten fรผr die Bereitstellung eines Internetanschlusses berรผcksichtigungsfรคhige Aufwendungen darstellen. Ein Umzug liege jedoch nicht vor.

Auch ein Darlehen gemรครŸ ยง 37 SGB XII komme nicht in Betracht, weil keine Leistungsberechtigung nach dem SGB XII bestehe.

Die Richter wiesen den Antragsteller darauf hin, dass – nicht bereits als hilfebedรผrftig im Sinne des SGB XII gelte , wer รผber weniger als 1.410 โ‚ฌ monatlich verfรผgt. Der notwendige Lebensunterhalt im Rahmen der staatlichen Grundsicherung richtet sich nicht nach familien- und unterhaltsrechtlichen Vorgaben wie z. B. der sogenannten Dรผsseldorfer Tabelle, sondern ausschlieรŸlich nach den gesetzlichen Vorgaben in ยงยง 27a ff. SGB XII zum Regelbedarf, der gesondert auf Grundlage von Einkommens- und Verbrauchsstichproben ermittelt wird.

GemรครŸ ยง 7 Abs. 1 Nr. 5 WoGG sind Empfรคnger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII vom Bezug von Wohngeld ausgeschlossen

Wenn der Klรคger das Ziel verfolgt, Grundsicherungsleistungen parallel zu dem ihm seit Januar 2023 fortlaufend gewรคhrten Wohngeld (Mietzuschuss) gemรครŸ ยง 1 Abs. 2 Wohngeldgesetz (WoGG) zu erhalten, steht diesem Begehren bereits entgegen, dass gemรครŸ ยง 7 Abs. 1 Nr. 5 WoGG Empfรคnger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII vom Bezug von Wohngeld ausgeschlossen sind.

Ein gleichzeitiger Bezug von Wohngeld (Mietzuschuss) und Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist demgemรครŸ gesetzlich ausgeschlossen.

Fazit

Mit Beschluss vom 18.02.2025 – B 8 SO 56/24 BH hat das Bundessozialgericht die Gewรคhrung von PKH und eines Rechtsanwalts abgelehnt.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Aus dem Grundrecht auf Gewรคhrleistung eines menschenwรผrdigen Existenzminimums folgt nicht, dass der Staat jedem Leistungsbezieher รผber die im Regelbedarf enthaltenen Anteile hinaus gesonderte Mittel zur Verfรผgung stellen muss, um einen privaten Zugang zum Internet und die dafรผr erforderlichen technischen Gerรคte zu schaffen bzw. anzuschaffen.

Aber im Zusammenhang mit Umzรผgen als besonderer Bedarfslage ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es sich bei den Kosten fรผr die Umstellung eines Telefon- und Internetanschlusses (und eines Nachsendeauftrags) um unvermeidbare und gesondert zu รผbernehmende Kosten handeln kann, weil diese als notwendig angesehen werden, um nach einem Umzug die Kommunikation mit anderen Menschen, Behรถrden, Banken usw. aufrechtzuerhalten (so BSG, Urteil vom 10. August 2016 โ€“ B 14 AS 58/15 R – ).

Praxistipp: Fehlendes Internet macht Kostensenkungsbemรผhungen fรผr รคltere Menschen nicht unzureichend

Verfรผgt ein รผber 65jรคhriger Leistungsbezieher nach dem 3. oder 4. Kapitel des SGB XII รผber keine Kenntnisse der Internetnutzung und auch kein Gerรคt mit Internetzugang oder eine sonstige Nutzungsmรถglichkeit des Internets, sind seine Kostensenkungsbemรผhungen nach ยง 35 Abs. 2 SGB XII nicht deswegen unzureichend, weil er seine Wohnungssuche nicht auf Wohnungsangebote im Internet erstreckt hat.

Denn die Online-Wohnungssuche entspricht (noch) nicht den ganz รผberwiegenden Lebensgewohnheiten seiner Altersgruppe und der Wohnungsmarkt ist auch Personen ohne Internetanschluss und Interneterfahrung nicht generell verschlossen.

Sozialamt Gnadenlos schmeiรŸt รคltere Schwerbehinderte nach 30 Jahren aus der Wohnung