Wer stark alkoholisiert in einem motorisierten Rollstuhl fährt, kann sich wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar machen und seinen Führerschein verlieren.
So stellte das Bayerische Oberste Landesgericht klar, dass ein motorisierter Rollstuhl nach dem Paragrafen 316 als Fahrzeug zu bewerten sei. Damit gelte auch beim motorisierten Rollstuhl, dass Trunkenheitsfahrten Führerscheinentzug bedeuten können. (2 St RR 118/00)
1.500 Euro wegen betrunken Zigaretten holen
Ein anderer Mensch mit Behinderung musste 1.500 Euro Geldstrafe zahlen. Er fuhr alkoholisiert mit dem motorisierten Rollstuhl auf dem Fahrradweg zur nächsten Tankstelle, um Zigaretten zu holen.
Er war nicht auffällig und machte auch keine Fahrfehler. Er kam allerdings in eine Alkoholkontrolle, und die Polizeibeamten stellten bei ihm 1,25 Promille fest.
Als Grenze für absolute Fahruntüchtigkeit waren 1,1 Promille gesetzt. Der Betroffene ging vor das Oberlandesgericht in Nürnberg und argumentierte dort, für Radfahrer gebe es für absolute Fahruntauglichkeit eine Grenze von 1,6 Promille, und diese müsse auch für seinen Rollstuhl gelten.
Die Richter vertraten einen anderen Standpunkt. Sein Rollstuhl sei zwar standsicherer als ein Fahrrad, aber auch breiter und massiver und zudem wegen der Motorkraft unfallträchtiger. Deshalb gelte hier die Grenze von 1, 1 Promille. Er musste 1.500 Euro Strafe zahlen. (Az. 2 St OLG Ss 230/10).
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Trunkenheit im Verkehr
Die Grundlage, um Trunkenheit im Verkehr zu beurteilen, ist der Paragraf 316 des Strafgesetzbuches. Hier steht: „(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist. (2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.“
Ein motorisierter Rollstuhl ist ein Kraftfahrzeug
Richter sind sich einig darüber, dass ein motorisierter Rollstuhl im Sinne des Paragrafen als Fahrzeug zu bewerten ist. Ein motorisierter Rollstuhl gilt offiziell als Kraftfahrzeug.
Wer also betrunken motorisierte Rollstühle fährt, muss mit Geldstrafen und Fahrverboten rechnen. Handbetriebene Rollstühle alkoholisiert zu führen, kann ein Bußgeld nach sich ziehen.
Wie ist das Gefahrenpotenzial eines Elektrorollstuhls?
In einem Fall vor dem Amtsgericht Löbau, in dem ein Mann alkoholisiert einen Elektrorollstuhl führte, setzten sich die Richter damit auseinander, wie absolute Fahruntüchtigkeit hier zu begründen sei. Sie kamen im Unterschied zu den Nürnberger Juristen dazu, dass der Grenzwert nicht bei 1,1 Promille zu setzen sei.
Denn ein ein elektrobetriebener Rollstuhl hätte „aufgrund seiner geringen Geschwindigkeit und Masse nicht das gleiche Gefahrenpotenzial wie ein motorbetriebenes Kraftfahrzeug.
Fehler beim Führen wirken sich infolge der geringen Geschwindigkeit, die im Bereich der Fußgängergeschwindigkeit liegt, nicht so gravierend aus, wie bei einem schnelleren Fahrzeug.“
Auch würden die Bremsen des Elektromotors das Fahrzeug beim Abschalten des Stroms fast unverzüglich zum Stehen bringen. Die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit beim Führen elektrobetriebener Rollstühle sei also nach dem anerkannten Grenzwert bei Radfahrern zu bemessen und liege bei 1,6 Promille.
Das Amtsgericht erörterte dabei das Gefahrenpotenzial eines Elektrorollstuhls im Verkehr. So sei dieser als Zweispurfahrzeug zwar wesentlich kipp- und spursicherer als ein Fahrrad. Insofern ginge von ihm eine geringere Geschwindigkeit aus. Und die mit ihm erziehbare Geschwindigkeit sei auch wesentlich geringer als mit bei einem Fahrradfahrer.
Auf der anderen Seite sei ein Elektrorollstuhl aber auch wesentlich schwerer als ein Fahrrad. Seine Bauart sei massiver und gewichtsintensiver. Die kleinen beweglichen Hinterräder ermöglichten fast ein Wenden auf der Stelle, und bei Fahrfehlern könne es deshalb zu erheblichen Schäden an Menschen und Sachen in der Nähe kommen.
Hinzu käme, dass Elektrorollstühle bestimmungsgemäß auch dort gefahren würden, wo Fahrräder nicht gefahren werden können und / oder dürfen, also in Geschäften, Gaststätten oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Das direkte Auflaufen durch die Bauart als Zweispurfahrzeug verringere zwar Gefahren, erhöhe sie bei einem möglichen Anstoßen jedoch auch. Der Rollstuhl kippe nicht weg und gleite nicht ab, sondern laufe direkt auf. Auch das unvermittelte Ansprechen auf das Einschalten der Stromzufuhr erhöhe Gefahren.
Folgen eines Fahrverbots für die Betroffenen
Das Amtsgericht in Löbau betonte, dass beim Verhängen von Fahrverboten für Menschen, die auf Rollstühle angewiesen sind, besondere Sorgfalt walten müsse.
Wer nämlich zwingend auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sei, verliere mit einem Fahrverbot seine Mobilität und könnte selbst alltägliche Geschäfte nicht erledigen, um seinen Lebensbedarf zu decken, und er könne nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Ein Fahrverbot könnte einen Betroffenen in dieser Situation sogar härter treffen als eine Haftstrafe und sei deshalb unverhältnismäßig.
Teilhabe ist auch mit handbetriebenem Rollstuhl möglich
In diesem Fall sei die Lage jedoch anders, da der Betroffene auch einen handbetriebenen Rollstuhl habe, mit dem er auch vor Gericht erschienen sei. Auch mit diesem könne er Einkäufe erledigen und ebenso Behörden- und Arzttermine wahrnehmen.
Er müsse hinnehmen, dass dies erheblich schwerer sei als mit dem Elektrorollstuhl. Ein Fahrverbot sei verhältnismäßig, und dies gelte selbstverständlich nur für Fahrzeuge, die mit Motorkraft betrieben würden. 0