Abmahnung, Therapie, Abfindung: Chef muss zahlen

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Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen wegen Ihrer Drogen- oder Alkoholerkrankung kรผndigt, dann haben Sie gute Mรถglichkeiten, dagegen vorzugehen und Ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder eine hohe Abfindung zu bekommen. Was Sie beachten mรผssen, das zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag.

Personenbedingte oder krankheitsbedingte Kรผndigung

Arbeitgeber sprechen oft bei einer Alkohol- oder Drogenerkrankung eine krankheitsbedingte oder personenbedingte Kรผndigung. Achtung: Die Drogen- oder Alkoholabhรคngigkeit allein berechtigt den Arbeitgeber keineswegs dazu, das Arbeitsverhรคltnis zu beenden.

Beeintrรคchtigung der Arbeitsleistung

Verpflichtet sind Sie dem Arbeitgeber lediglich im Rahmen dessen, was im Arbeitsvertrag vereinbart ist. In Bezug auf Ihre Drogen- oder Alkoholerkrankung kann es also nur eine Kรผndigung geben, wenn sich die Sucht nachteilig auf Ihre Arbeitsleistung auswirkt und das Arbeitsverhรคltnis nachhaltig beeintrรคchtigt.

Die negative Zukunftsprognose

Eine personenbedingte Kรผndigung in Bezug auf eine Drogensucht bedarf zudem einer negativen Zukunftsprognose. Wenn die Aussicht besteht, dass Sie Ihren Job in Zukunft wieder einwandfrei erledigen, besteht keine Rechtfertigung einer Kรผndigung.

Da ist dann Ihre Mitwirkung gefragt, indem Sie sich zum Beispiel einer Therapie unterziehen und diese Erfolg verspricht. Wenn Sie die Therapie allerdings abbrechen, nach erfolgreicher Therapie rรผckfรคllig werden oder eine Entziehungskur erfolglos verlรคuft, kann der Arbeitgeber die Kรผndigung aussprechen. Auch wenn Sie MaรŸnahmen ablehnen, die Ihre Sucht verbessern kรถnnten, kann der Arbeitgeber kรผndigen.

Kรผndigung wegen Alkoholisierung?

Eine einfache Alkoholisierung am Arbeitsplatz rechtfertigt noch keine Kรผndigung. Entscheidend ist, dass Sie darรผber hinaus Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Das gilt รผbrigens, wenn im Betrieb ein ausdrรผckliches Alkoholverbot gilt.

Es gilt auch, wenn Sie wegen Alkoholisierung die vereinbarten Leistungen nicht erbringen kรถnnen, weil Ihr Reaktionsvermรถgen nachlรคsst oder Sie Unfallverhรผtungsvorschriften nicht mehr einhalten kรถnnen. Es gilt besonders, wenn Sie wegen der Alkoholisierung sowohl Ihre beruflichen Pflichten als auch bestehende Gesetze verletzen. Ein Beispiel dafรผr ist, wenn Sie als Berufskraftfahrer unter Einfluss von Alkohol oder Drogen das Kraftfahrzeug fahren.

In all diesen Fรคllen kann Ihr Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kรผndigung aussprechen.

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Der Arbeitgeber muss Sie abmahnen

Wichtig: Fast immer muss der Arbeitgeber Ihnen bei einer verhaltensbedingten Kรผndigung zuvor eine Abmahnung aussprechen. Damit warnt er Sie noch einmal und gibt Ihnen eine โ€žletzte Chanceโ€œ. Klar ist, dass ein solches Verhalten bei Wiederholung zur Kรผndigung fรผhrt.

Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: Bei einer besonders schweren Pflichtverletzung muss erstens vor einer verhaltensbedingten Kรผndigung keine Abmahnung ausgesprochen werden.

Zweitens kann der Arbeitgeber Ihnen umgehend kรผndigen, wenn Sie nicht einsehen, einen Fehler gemacht zu haben. Eine Abmahnung kann entfallen, wenn sie erkennbar keinen Erfolg verspricht oder der PflichtverstoรŸ so gravierend ist, dass selbst eine einmalige Handlung das Vertrauen endgรผltig zerstรถrt (z. B. alkoholisiertes Fรผhren eines Gefahrgut-Lkw).

Ob eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt, ist Ermessenssache und beschรคftigt nicht selten die Sozialgerichte. Ein Beispiel wรคre, dass Sie stark alkoholisiert mit dem Firmenwagen einen Unfall verursachen und danach auch noch Kunden beleidigen.

Bei illegalen Drogen reicht der Konsum

Der Konsum von illegalen Drogen wรคhrend der Arbeitszeit ist auch ohne weitere Pflichtverletzungen eine Rechtfertigung fรผr eine verhaltensbedingte Kรผndigung. Sogar eine fristlose Kรผndigung ist mรถglich, je nach Tรคtigkeit und je nach Droge.

Allerdings gilt auch hier: Wenn Sie diagnostiziert suchtkrank sind, dann wird die Kรผndigung deshalb unter Umstรคnden unwirksam. Denn dann kann es sein, dass Sie das Verhalten nicht willentlich kontrollieren kรถnnen oder sich รผber die rechtlichen Konsequenzen nicht im Klaren sind.

Konsum von Drogen in der Freizeit

Der Konsum von Drogen, ob legalen oder illegalen Substanzen, in Ihrer Freizeit rechtfertigt keine Kรผndigung und geht Ihren Arbeitgeber auch nichts an. Anders sieht es aus, wenn der Drogenkonsum auรŸerhalb der Arbeit Ihre Leistung bei der Arbeit einschrรคnkt.

Berufskraftfahrer mรผssen aufpassen

Bei Berufskraftfahrern kann allerdings auch der Drogenkonsum in der Freizeit eine Kรผndigung rechtfertigen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (6 AZR 471/15). In diesem Fall konsumierte ein Berufs-Lkw-Fahrer auรŸerhalb der Arbeitszeit Amphetamin und Methamphetamin (Crystal Meth). Trotz des Konsums erledigte er seine Arbeit fehlerfrei. Am Ende der Strecke geriet er in eine Routinekontrolle der Polizei. Diese testete ihn positiv auf Drogen. Sein Arbeitgeber kรผndigte ihm fristlos, und das Bundesarbeitsgericht beurteilte diese Kรผndigung als wirksam.

Bei Verdachtskรผndigung haben Sie gute Chancen

Ihre Chance besteht darin, dass der Arbeitgeber den Kรผndigungsgrund beweisen muss. Um Ihnen Alkoholmissbrauch zu unterstellen, kann er hรคufig nur Indizien vorgeben wie Torkeln oder Alkoholgeruch. Er darf Sie nicht zwingen, routinemรครŸig Blutuntersuchungen vorzunehmen wegen einer Alkoholabhรคngigkeit. Nur in seltenen Ausnahmen schreibt das Gesetz solche Tests vor.

Wenn der Arbeitgeber also eine Verdachtskรผndigung ausspricht, bestehen gute Chancen fรผr Sie, vor Gericht vorzugehen. Ein Verdacht rechtfertigt eine fristlose Kรผndigung nur, wenn er zutreffen sollte, also zumindest tatsรคchliche Anhaltspunkte hat und nur Gerรผchte oder Vermutungen. Zudem muss der Arbeitgeber alles getan haben, um den Sachverhalt aufzuklรคren, also zum Beispiel, mit Ihnen ein intensives Gesprรคch darรผber gefรผhrt haben.

Weitere wichtige Punkte, die der Arbeitgeber beachten muss

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Bei lรคnger andauernden, suchtbedingten Fehlzeiten muss der Arbeitgeber nach ยง 167 Abs. 2 SGB IX prรผfen, ob ein BEM helfen kann. Unterlรคsst er das oder dokumentiert nicht, warum es aussichtslos war, scheitert eine krankheitsbedingte Kรผndigung hรคufig vor Gericht.

Negativ-Prognose allein genรผgt nicht
Fรผr eine krankheitsbedingte Kรผndigung sind zusรคtzlich erforderlich:

  • erhebliche Beeintrรคchtigung der betrieblichen Interessen (z. B. Produktionsausfรคlle) und
  • Interessenabwรคgung zugunsten des Arbeitgebers.ย 

Beteiligungs- und Zustimmungspflichten

  • Betriebsrat: ยงยง 102 BetrVG (Anhรถrung) vor jeder Kรผndigung
  • Schwerbehindertenrecht: Bei anerkannter (Schwer-)Behinderung wegen Sucht ist vor einer Kรผndigung die Zustimmung des Integrationsamts nach ยง 168 SGB IX einzuholen.

Dreifache Prรผfung bei Drogenkonsum in der Freizeit

  • Tรคtigkeitsยญbezug (Gefรคhrdung),
  • Negative Prognose,
  • ggf. Fรผhrerschein-Entzug (Berufskraftfahrer). BAG-Urteil 6 AZR 471/15 zeigt, dass schon ein positiver Drogentest in der Freizeit fรผr Fahrer*innen reichen kann.

Arbeitgeber zahlen lieber Abfindung, als ein Gerichtsverfahren durchzukรคmpfen

Oft reicht bereits die Drohung mit der Klage, damit der Arbeitgeber mit Ihnen einen Aufhebungsvertrag schlieรŸt und eine Abfindung vereinbart. Sonst geht es vor Gericht, und auch hier enden die Verfahren in der Regel damit, dass der Arbeitgeber sich bereit erklรคrt, eine Abfindung zu zahlen und Sie im Gegenzug auf die Klage verzichten. Der Arbeitgeber erspart sich damit nรคmlich einen teuren und langwierigen Gerichtsprozess und mรถchte meist die Sache ohnehin schnellstmรถglich vom Tisch haben.