Schwerbehinderung: Ohne Antrag kein Schutz – Klares Urteil des BAG

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Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung genieรŸen einen besonderen Kรผndigungsschutz. Ein Arbeitgeber muss grundsรคtzlich die Zustimmung des Integrationsamtes bei einer Kรผndigung einholen.

Ausnahme: In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhรคltnisses ist keine Zustimmung erforderlich. Wenn der Arbeitgeber versรคumt, das Integrationsamt einzubeziehen, dann ist die Kรผndigung unwirksam.

Die Voraussetzung fรผr den besonderen Kรผndigungsschutz ist allerdings, dass beim Betroffenen zum Zeitpunkt der Kรผndigung die Schwerbehinderung bereits festgestellt ist, offenkundig vorliegt oder ein Antrag auf Feststellung mindestens drei Wochen vorher gestellt wurde. Mit dieser Begrรผndung wies das Bundesarbeitsgericht eine Klage als unbegrรผndet zurรผck (8 AZR 191/21).

Besteht eine Pflicht zur Entschรคdigung

Ein ehemaliger Hausmeister klagte durch alle Instanzen des Arbeitsgerichts, weil er eine Entschรคdigung seines ehemaligen Arbeitgebers forderte, und dies war die Stadt Leipzig. Fรผr diese hatte er mit Arbeitsvertrag zuvor als Hausmeister an einer Grundschule gearbeitet.

Hinweis zur Arbeitgeberfrage: Arbeitgeber war tatsรคchlich ein Gebรคudeservice-Unternehmen, bei dem der Hausmeister angestellt war. Die Stadt Leipzig war der Auftraggeber (Einsatzort Schule). Die Stadt kรผndigte den Auftrag; gekรผndigt hat das Arbeitsverhรคltnis der Arbeitgeber.

Kรผndigung wegen Wegfall der Stelle

2018 erkrankte er arbeitsunfรคhig und kurz darauf wurde ihm zum 30.04.2018 gekรผndigt. Der Grund dafรผr war nicht seine Arbeitsunfรคhigkeit, sondern dass der Auftraggeber (die Stadt) den Hausmeisterauftrag gekรผndigt hatte, es also seine Stelle nicht mehr gab. Die Kรผndigungsschreiben datieren vom 29.03.2018 (Zugang 31.03.2018) und โ€“ korrigiert โ€“ mit Zugang 04.04.2018.

Erst Entschรคdigungsforderung, dann Antrag auf Schwerbehinderung

Der Hausmeister forderte im April 2018 von der Stadt erfolglos die Zahlung einer Entschรคdigung. Im Oktober desselben Jahres beantragte er beim zustรคndigen Landesverwaltungsamt die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. In der Folge wurde bei ihm eine Schwerbehinderung festgestellt. Der Antrag ging am 17.10.2018 ein โ€“ also gut sechs Monate nach Zugang der Kรผndigung.

Der Weg durch die Instanzen

Er klagte jetzt vor dem Arbeitsgericht und verwies darauf, dass er schwerbehindert sei und die Stadt das Integrationsamt um Zustimmung hรคtte bitten mรผssen, um ihm die Kรผndigung auszusprechen. Da dies nicht erfolgt sei, hรคtte er Anspruch auf Schadensersatz / Entschรคdigung. Tatsรคchlich verlangte er eine Entschรคdigung โ€“ es ging nicht um einen klassischen Kรผndigungsschutzprozess.

Der Fall ging vom Arbeitsgericht zur Berufung vor das Landesarbeitsgericht. Als dieses die Klage abwies, forderte der Arbeitnehmer eine Revision beim Bundesarbeitsgericht.

Die Schwerbehinderung muss nachgewiesen sein

Doch auch vor dem Bundesarbeitsgericht blieb der Hausmeister erfolglos. Die Richter erklรคrten die Klage zwar fรผr zulรคssig, aber fรผr unbegrรผndet. Sie verwiesen darauf, dass der besondere Kรผndigungsschutz grundsรคtzlich voraussetzt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kรผndigung die Schwerbehinderung entweder bereits festgestellt war, offenkundig vorlag oder ein Antrag auf Feststellung mindestens drei Wochen vorher gestellt wurde. โ€žOffenkundigโ€œ bedeutet: fรผr den Arbeitgeber klar erkennbar und unzweifelhaft.

Ein Antrag auf Schwerbehinderung nach der Kรผndigung zรคhlt nicht

Der Hausmeister hatte den Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung erst nach Zugang der Kรผndigung gestellt. Damit griff der besondere Kรผndigungsschutz hier nicht. Ohne festgestellte, offenkundige oder fristgerecht beantragte Schwerbehinderung war eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich; ein Entschรคdigungsanspruch lieรŸ sich daraus nicht herleiten.