Eingliederungshilfe: Keine Übernahme des nicht behinderungsbedingt anfallenden Eigenanteils für eine Urlaubsreise – Aber:
1. § 113 SGB IX beschreibt die zu erbringenden Leistungen zur sozialen Teilhabe als nicht abschließend („insbesondere“)
2. Auch ein behinderungsbedingter Mehrbedarf für die Teilnahme an einer Urlaubsreise kann von dieser Norm erfasst sein.
3. Es werden aber keine Kosten erfasst, die in keinen Zusammenhang mit der Behinderung des Antragstellers stehen, wie für Reise, Verpflegung, Unterkunft etc.
4. Kosten für den eigenen Urlaub sind grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen ( Orientierungssatz Detlef Brock ).
So entschieden vom LSG BW, Beschluss v. 29.07.2024 – L 2 SO 2041/24 –
Inhaltsverzeichnis
Urlaubsreisen als Form der Freizeitgestaltung stellen ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis dar
Zwar stellen nach aktueller Rechtsprechung des BSG Urlaubsreisen als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis dar.
Vergleich mit Menschen, die keine Behinderung haben
Ein Anspruch gegen den Sozialhilfe- bzw. Eingliederungshilfeträger löst nicht schon das bei den behinderten Menschen selbst bestehende Urlaubsbedürfnis aus, weil dieses bei nichtbehinderten wie behinderten Menschen in gleicher Weise entsteht.
Kosten für den eigenen Urlaub sind nicht übernahmefähig im Rahmen der Eingliederungshilfe
Kosten für den eigenen Urlaub sind deshalb grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen, sondern vom behinderten Menschen selbst zu tragen.
Sachkosten wie Verpflegung, Unterkunft werden nicht übernommen
Die geforderte Übernahme des Eigenanteils (Sachkosten) der Freizeitmaßnahme mit der Offenen Hilfe stellten keine Teilhabeleistung im Sinne des SGB IX dar.
Was Anderes gilt aber, wenn eine Begleitperson notwendig ist
Anders könne es bei behinderungsbedingten Mehrkosten wie z.B. den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson liegen.
Weil mit diesen Kosten sei der behinderte Mensch allein aufgrund seiner Behinderung konfrontiert.
Diese behinderungsbedingten Mehrkosten könnten als Teilhabeleistung übernommen werden, sofern sie angemessen und notwendig seien.
Betreuungskosten waren beim Antragsteller angefallen
Doch wurden diese von der Pflegeversicherung im Rahmen der Verhinderungspflege übernommen.
Sämtliche Betreuungskosten (behinderungsbedingte Mehrkosten) wurden vollständig von der Pflegekasse des Klägers übernommen.
So das hiermit der Antragsteller keinen Anspruch mehr hat auf Übernahme der Betreuungskosten im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
1. Kosten für den eigenen Urlaub sind grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen.
ABER
BSG, Urt. v. 19.05.20222 – B 8 SO 13/20 R –
Kosten einer Begleitperson bei einer Urlaubsreise sind im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen
2. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft umfassen im Rahmen selbstbestimmter Freizeitgestaltung auch die notwendigen behinderungsbedingten Mehrkosten für eine angemessene Urlaubsreise ( BSG, Urt. v. 19.05.2022 – B 8 SO 13/20 R – ).
DAS BSG bestätigt Kostenübernahme einer – Begleitperson – während einer Urlaubsreise.
3. Ein schwerbehinderter Mensch hat einen Anspruch auf Übernahme erforderlicher behinderungsbedingter Mehrkosten seiner angemessenen Freizeitgestaltung als Eingliederungshilfeleistung.
Das heißt auf diejenigen Kosten, die wegen Art und Schwere der Behinderung anfallen und die notwendig und geeignet sind, das Teilhabeziel zu erreichen (vgl BSG vom 11.9.2020 – B 8 SO 22/18 R – ).
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.