Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz. Dieser gilt grundsätzlich auch, wenn der Arbeitgeber bei der Einstellung nichts von der Behinderung wusste. Antwortet der Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung allerdings auf die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig mit Nein, dann kann der Sonderkündigungsschutz entfallen.
Dies gilt besonders dann, wenn das Wissen nötig gewesen wäre, um beim Vorbereiten der Kündigung die Behinderung zu berücksichtigen. So urteilte das Bundesarbeitsgericht. (6 AZR 553/10)
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Insolvenzverwalter darf Kündigungen aussprechen
Der Betroffene hat einen Grad der Behinderung von 60 und arbeitete bei einer Arbeitgeberin. Das Amtsgericht Arnsberg ordnete für diese ein Insolvenzverfahren an. Der Insolvenzverwalter erhielt Arbeitgeberbefugnisse mit dem Recht, Kündigungen auszusprechen.
Arbeitnehmer beantwortet Frage wahrheitswidrig
Der Insolvenzverwalter gab Fragebögen an alle Arbeitnehmer des Betriebs aus. Darin befand sich auch die Frage danach, ob eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegt. Der Betroffene kreuzte in den Feldern Schwerbehinderung“ und „Gleichstellung“ wahrheitswidrig „Nein“ an.
Kündigung und Klage
Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis des Betroffenen ordentlich. Der Arbeitnehmer berief sich auf den besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch und reichte Klage vor dem Arbeitsgericht ein.
Keine Beteiligung des Integrationsamtes
Er argumentierte, ohne Beteiligung des Integrationsamtes sei die Kündigung unwirksam. Er hätte das Recht gehabt, seine Schwerbehinderteneigenschaft zu leugnen. Nach dieser zu fragen stelle eine verbotene Benachteiligung dar und verstoße gegen den Datenschutz. Für den Sonderkündigungsschutz reiche es aus, die Schwerbehinderung bis zu drei Wochen nach der Kündigung zu offenbaren.
Recht auf Falschaussage
Er habe während seiner gesamten Arbeitszeit das Recht, seine Schwerbehinderteneigenschaft zu leugnen und müsse diese erst in den drei Wochen nach der Kündigung offenbaren, um den Kündigungsschutz in Anspruch zu nehmen.
Es geht bis vor das Bundesarbeitsgericht
Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam, doch das Landesarbeitsgericht hob das Urteil in der Berufung auf. So kam der Fall vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses gab dem Insolvenzverwalter Recht und erklärte die Kündigung für wirksam.
In dieser Situation entfällt der Sonderkündigungsschutz
Der Betroffene hätte zwar grundsätzlich Recht, dass eine Beteiligung des Integrationsamtes nötig sei und er sich fristgerecht auf seinen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch berufen habe. Trotzdem gelte dieser in seinem Fall nicht.
Im Unterschied zu den Ausführungen des Betroffenen sei er dazu verpflichtet, sechs Monate nach Beginn eines bestehenden Arbeitsverhältnisses die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft wahrheitsgemäß zu beantworten. Im Unterschied zu der Meinung des Arbeitnehmers verstoße das gerade nicht gegen den Datenschutz, sondern ermögliche es dem Arbeitgeber, sich rechtstreu zu verhalten.
Es diene besonders dazu, eine mögliche Kündigung vorzubereiten und dabei das Behindertengesetz zu berücksichtigen. Der Insolvenzverhalter hätte ein berechtigtes, billigenswertes und schutzzwürdiges Interesse gehabt, die Frage nach der Schwerbehinderung zu stellen.
Dabei sei es gerade darum gegangen, den Sonderkündigungsschutz zu beachten, also einen besonderen Schutz des Schwerbehinderten zu ermöglichen.