Schwerbehinderung: Gericht bestätigt – Behinderung mit GdB 40 darf Jobchancen nicht mindern

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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied zugunsten einer Krankenpflegerin, dass sie mit schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist, obwohl ihr aktueller Arbeitsplatz nicht gefährdet war. Doch ein grundsätzliches Risiko, sie wegen ihrer Einschränkung nicht einzustellen, rechtfertige die Gleichstellung. (L9 AL 147/21).

Grad der Behinderung von 40

Die Betroffene ist Gesundheits- und Krankenpflegerin mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 40. Zu ihren Einschränkungen zählen Hörminderungen, Gleichgewichtsprobleme, Wirbelsäulenleiden und Einschränkungen des Bewegungsapparats. Trotz allem arbeitete sie weiterhin in der Pflege.

Krankenpflegerin beantragt Gleichstellung

Sie beantragte bei der Bundesagentur für Arbeit die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Der Grund für den Antrag war die Sicherung ihres Arbeitsplatzes. Denn frühere Arbeitgeber hatten den Hinweis gegeben, dass sie nicht mehr vollumfänglich in ihrem Beruf arbeiten könne und sie ihr auch keinen angepassten Arbeitsplatz geben könnten.

Ihr damaliger Arbeitgeber ermöglichte ihr zwar weiterhin die Tätigkeit, doch sie befürchtete, bei einer neuen Arbeitssuche keine Chance auf eine Stelle zu haben.

Agentur sieht keinen gefährdeten Arbeitsplatz

Die Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag ab und sah keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes wegen ihrer Behinderung. Eine Gleichstellung, um den Arbeitsplatz zu behalten, ließe sich nicht beweisen.

Die Betroffene legte Widerspruch ein und verwies auf die Position ihres ehemaligen Arbeitgebers. Der hatte ihr deutlich gemacht, sie solle entweder in einem Altenheim arbeiten oder sich eine neue Stelle suchen. Die Agentur wies den Widerspruch zurück.

Klage vor dem Sozialgericht Köln

Die Pflegerin klagte jetzt vor dem Sozialgericht Köln, um dort die Gleichstellung durchzusetzen. Das Sozialgericht stimmte ihr zu. Es gebe sehr wohl eine Arbeitsplatzgefährdung aufgrund der Behinderung.

Die Bundesagentur für Arbeit akzeptierte die Entscheidung nicht, und deshalb ging es zur Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Dort argumentierte die Behörde, dass die Betroffene auch ohne Gleichstellung eine neue Stelle gefunden habe. Es gebe also keine akute Gefährdung des aktuellen Arbeitsplatzes.

Landessozialgericht weist Agentur für Arbeit in die Schranken

Das Landessozialgericht wies die Berufung der Agentur für Arbeit zurück und rückte die Begründung der Behörde gerade. Es gehe bei der Gleichstellung nicht nur um den unmittelbaren Verlust des Arbeitsplatzes. Wesentlich sei hingegen, ob die Einschränkungen langfristig den Arbeitsplatz gefährden könnten, und das sei in diesem Fall eindeutig gegeben.

Eine Gleichstellung könne erwarten, wer ohne diese wegen der Behinderung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten könnte. Exakt das hatte ihr ehemaliger Arbeitgeber der Betroffenen gesagt.

Ein bedeutendes Urteil

In unseren Augen handelt es sich um ein bedeutendes Urteil, denn es stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen, deren Grad der Behinderung unter 50 liegt. Der herausragende Punkt ist, dass eine Gleichstellung nicht erst bei akuter Not und einem unmittelbar drohenden Verlust des Arbeitsplatzes greift.

Es entscheidet also nicht ausschließlich die aktuelle Situation. Vielmehr, so lässt sich das Urteil zusammenfassen, greift eine Gleichstellung schon dann, wenn langfristig eine solche Bedrohung droht.

Was können Betroffene aus dem Urteil lernen?

Wenn Sie einen Grad der Behinderung von 30 oder 40 haben und die Hürden wegen der Einschränkungen in Ihrem angestammten Beruf immer höher werden, dann zeigt die Entscheidung eine Handlungsperspektive.

Sie sollten ihren Antrag auf Gleichstellung besser früher stellen als zu spät. Am besten ist es, ihn dann zu stellen, wenn Sie die ersten Signale wahrnehmen, die darauf hindeuten, dass ihr Arbeitsplatz auf Dauer gefährdet sein könnte.

Begründen Sie die Gleichstellung so gut wie möglich

Diesen Antrag sollten Sie zudem so detailliert wie nur möglich begründen. Sie können ausführen, welche konkreten Probleme sie bei welchen Tätigkeiten haben. Sie können auch auf Äußerungen von Arbeitgebern und Kollegen erwähnen, die darauf verweisen, dass sie mit ihren Beschwerden das Arbeitsverhältnis möglicherweise beenden müssen. Auch Unvereinbarkeit zwischen den Einschränkungen und Arbeitserfordernissen wie Schicht- und Mehrarbeit sollten Sie dringend anführen.