Sozialgerichte halten sich bei der Bestimmung des Behinderungsgrades in der Regel an die Gutachten von Sachverständigen. Das verleitet zu dem falschen Spruch, dass diese Gutachten bindend seien. Das sind sie aber nicht, und das Sozialgericht Münster kam zu einem anderen Ergebnis. (S 19 SB 302/19).
Inhaltsverzeichnis
Wenn der GdB zu niedrig ist
Wenn der Ihnen anerkannte Grad der Schwerbehinderung Ihnen zu niedrig erscheint, können Sie Widerspruch einlegen, und falls dieser erfolglos bleibt, vor dem Sozialgericht klagen, um einen höheren Grad der Behinderung anerkannt zu bekommen.
Der Kläger hatte einen solchen Verschlimmerungsantrag gestellt, also eine Überprüfung seines gesundheitlichen Zustands, da dieser sich in seinen Augen verschlechtert hatte. Er leidet an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Diese führte zur Festsetzung eines Grades der Behinderung von 40.
Schwerbehinderung ab GdB 50
Eine Schwerbehinderung gilt aber erst ab einem Grad der Behinderung von 50, und erst dann hätte der Betroffene einen Anspruch auf die entsprechenden Nachteilsausgleiche.
Seine Klage vor dem Sozialgericht begründete der Betroffene damit, dass er nicht nur an der Lungenerkrankung leide, mit einem Grad der Behinderung von 40, sondern zudem an einem Wirbelsäulenschaden mit einem Grad der Behinderung von 20.
Der Grad der Behinderung
Der GdB umfasst alle körperlichen, psychischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die die Betroffene länger als ein halbes Jahr im täglichen Leben einschränken. Er bezieht sich nicht nur die Art der Behinderung, sondern vor allem auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Einschränkungsgrad der Betroffenen
Es geht also beim Grad der Behinderung nicht in erster Linie um die Ursache wie Erkrankung, Unfall, Geburtsfehler oder Verletzung, sondern darum, wie diese den betroffenen Menschen in seiner sozialen Um- und Lebenswelt einschränkt.
Einzelbehinderungen werden für Gesamtberechnung geprüft
40 plus 20 ergibt 60, so könnte man meinen, und damit wäre der Grad der Behinderung in diesem Fall insgesamt 60. So einfach ist es aber nicht. Bei getrennten Behinderungen wird vielmehr beurteilt, ob diese die Haupteinschränkung verstärken.
Im konkreten Fall bedeutete das: Verstärkt der Wirbelsäulenschaden die Haupteinschränkung durch die Lungenerkrankung?
Sachverständige werden für Gutachten hinzugezogen
Das Gericht holte ein Gutachten eines Sachverständigen ein. Dieser, ein Orthopäde und Unfallchirurg, blieb bei Grad der Behinderung von 40, obwohl er anerkannte, dass die Gesundheit sich verschlechtert hätte.
Gericht überstimmt Gutachten
Das Gericht erkannte zwar die Seriösität des eingeholten Gutachtens an, kam aber zu einem anderen Ergebnis. So würden sich Wirbelsäulenschaden und Lungenleiden zwar nicht überschneiden, doch beide den Betroffenen derart einschränken, dass insgesamt ein Grad der Behinderung von 50 anzuerkennen sei – und damit eine Schwerbehinderung.
Unabhängig von den Folgen der Lungenkrankheit würden, so das Gericht, die Schmerzen der Wirbelsäule die Teilhabe des Betroffenen zusätzlich verstärken.