Haben Alter und Dauer der Arbeit in einem Betrieb Vorrang gegen Unterhaltspflicht bei einer Kündigung? Der DGB-Rechtsschutz stellt einen Fall vor, in dem das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden hatte (AZ: 2 AZR 67/17).
Der Fall
Ein Arbeitgeber beschäftigte fünf juristische Mitarbeiter und musste betriebsbedingt eine Kündigung ausssprechen. Gekündigt wurde einem 1947 geborenen Mitarbeiter, der bereits seit 1981 für den Arbeitgeber tätig ist und eine Regelaltersrente bezieht. Nicht gekündigt wurde einer 1979 geborenen Arbeitnehmerin, die gegenüber einem Kind in der Unterhaltspflicht steht und seit 2007 bei dem Arbeitgeber tätig ist.
Der Gekündigte klagte gegen die Entscheidung und begründete dies damit, dass er sozial schutzwürdiger sei als die Kollegin – aufgrund der viel längeren Zugehörigkeit zum Betrieb und aufgrund seines wesentlich höheren Alters. Die Sozialauswahl der Kündigung sei unzulässig und die Kündigung deshalb unrechtmäßig.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht stimmen ihm zu
Die ersten beiden Instanzen sahen den Kläger im Recht und vertraten den Standpunkt, dass die Kündigung unwirksam sei. Sie bezogen sich dabei auf das Kündigungsschutzgesetz.
Dieses verlangt, dass bei der Auswahl der jeweils zu Kündigenden die Dauer der Betriebszugehörigkeit ebenso berücksichtigt werden müsste wie Lebensalter, Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderung.
Beide Gerichte hielten in diesem Fall das wesentlich höhere Alter und die erheblich längere Betriebszugehörigkeit des Betroffenen für wichtiger als die Unterhaltspflicht der nicht gekündigten Mitarbeiterin. Insgesamt sei er also der Schutzwürdigere von beiden.
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Das Bundesarbeitsgericht stimmt der Kündigung zu
Das Bundesarbeitsgericht sah das jedoch anders und hielt die jüngere Mitarbeiterin für die sozial Schutzwürdigere von beiden. Zu Recht sei also dem älteren Arbeitnehmer gekündigt worden und ihr nicht.
Diese Entscheidung begründete das Bundesarbeitsgericht ebenso ausführlich wie differenziert. Dabei bezog das Bundesarbeitsgericht, im Unterschied zu den Vorinstanzen, die Rente des Gekündigten in die Begründung ein.
Grunsätzlich sei laut Kündigungsschutzgesetz dem Arbeitnehmer zu kündigen, “der am wenigsten auf das Arbeitsverhältnis angewiesen sei”. Bei einem Anspruch oder sogar (wie im vorliegenden Fall) dem Bezug einer Regelaltersrente stünde “dauerhaft ein Ersatzeinkommen für das zukünftig entfallende Arbeitseinkommen zur Verfügung”.
Ohne einen Anspruch auf Regelaltersrente bestünde die Gefahr, dass die Betroffenen “durchgehend oder zumindest für größere Zeiträume beschäftigungslos bleiben und damit mittel- bzw. langfristig auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen angewiesen sind.“
Aufgrund seiner bezogenen Altersrente sei also der Kläger deutlich weniger schutzwürdig als seine Kollegin. Insgesamt sei sie durch ihre zusätzlichen Unterhaltspflichten eindeutig schutzwürdiger als ihr älterer Kollege.
Über den konkreten Fall hinaus bedeutet das: EIn Anspruch auf oder der Bezug einer Altersrente ist bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen.
Wie geht es weiter?
Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an dieses zurück verwiesen. Neu verhandelt wird dann allerdings nicht mehr die jetzt geklärte Schutzwürdigkeit, sondern die Frage, ob der “Beschäftigungsbedarf für den Kläger überhaupt weggefallen ist”.