Bei einem erforderlichen Beschäftigungsverbot für stillende Mütter kann auch nach über einem Jahr Stillzeit noch Anspruch auf Mutterschutzlohn bestehen. Dies gilt bei einer angestellten Zahnärztin zumindest dann, wenn eine Infektion mit Biostoffen nicht ausgeschlossen werden kann und mit dem Stillen das Kind „unverantwortbar gefährdet“ wird, stellte das Hessische Landessozialgericht (LSG) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 5. Juni 2025 klar (Az.: L 8 KR 216/24).
Dem Arbeitgeber, der während des Beschäftigungsverbots Mutterschutzlohn gezahlt hat, steht dann eine Kostenerstattung von der Krankenkasse zu, so die Darmstädter Richter.
Für schwangere Frauen und stillende Mütter besteht in Deutschland ein umfassender Mutterschutz. So sehen die gesetzlichen Regelungen nicht nur einen besonderen Kündigungsschutz und ein Beschäftigungsverbot sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und regelmäßig acht Wochen danach vor.
Beschäftigungsverbot und Anspruch auf Mutterschutz
Besteht während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit eine Gesundheitsgefahr für Mutter und Kind, wenn die berufliche Tätigkeit weiter ausgeübt wird, kann für diese Zeit ein Beschäftigungsverbot greifen.
Der Arbeitgeber muss dann zur Sicherung des Einkommens Mutterschutzlohn zahlen, der sich normalerweise nach dem regelmäßigen Einkommen der letzten drei Monate vor Eintritt der Schwangerschaft berechnet. Die Krankenkasse ist zur Erstattung des Mutterschutzlohns verpflichtet.
Im Streitfall ging es um eine angestellte Zahnärztin aus dem Raum Frankfurt/Main. Als die Frau im Jahr 2018 schwanger wurde, wurde vom Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft und während der Stillzeit ausgesprochen.
Die Krankenkasse erstattete dem Arbeitgeber nur die Mutterschutzlohnkosten bis einschließlich des ersten Lebensjahres des Kindes, nicht aber für die Stillzeit danach. Das Mutterschutzgesetz sehe vor, dass der Arbeitgeber der Mutter im ersten Lebensjahr des Kindes betriebliche Stillpausen gewähren muss. Daraus sei abzuleiten, dass bei einem Beschäftigungsverbot ebenfalls die Jahresfrist gelte. Eine Erstattung des Mutterschutzlohns für stillende Mütter sei dann nicht vorgesehen.
Zudem habe der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot nicht genügend begründet. Es fehle eine ausreichende Dokumentation über die Gefährdungsbeurteilung, falls die Mutter weiter arbeiten würde. Der Arbeitgeber hätte der Zahnärztin andere, risikoarme Aufgaben und nicht die Arbeit am Zahnarztstuhl übertragen müssen. Ein Beschäftigungsverbot sei nur als letzte Maßnahme auszusprechen.
Der Arbeitgeber klagte auf Erstattung der Kosten für die gesamte Stillzeit. Schutzmaßnahmen oder eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes seien nicht möglich gewesen, um Mutter und Kind vor Gesundheitsgefährdungen zu bewahren.
Als Zahnärztin trete die Beschäftigte in direktem Körperkontakt zu Patienten, die unter Umständen mit Hepatitis oder HIV infiziert sind. Wegen des Hantierens mit scharfen Gegenständen bestehe eine Verletzungs- und Infektionsgefahr.
Die Mutter hatte zudem die Notwendigkeit des Stillens damit begründet, dass ihre Tochter andere Nahrung als Muttermilch weitgehend verweigert hat.
LSG Darmstadt klärt Regeln bei Beschäftigungsverbot
Das LSG urteilte, dass der Arbeitgeber sich von der Krankenkasse nicht nur für das erste Jahr der Stillzeit, sondern auch danach für die Zeit vom 1. März 2020 bis zum 30. November 2020 die Mutterschutzlohnkosten in Höhe von monatlich 20.695 Euro erstatten lassen kann. Zwar sei der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, für die Stillzeit eine eigene Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.
Komme er dem nicht nach oder dokumentiere diese unzureichend, stelle dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ein Beschäftigungsverbot dürfe davon aber nicht abhängig gemacht werden. Dieses gelte „kraft Gesetzes“, da er die Zahnärztin während ihrer Stillzeit nicht anderweitig beschäftigen konnte.
Es gebe keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für Zahnarztpraxen, dass eine Gefährdung von Mutter und Kind während der gesamten Stillzeit nicht vorliege. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die Frau sich über Blut und Speichel von Patienten mit Krankheitserregern infizieren könne und ihr Kind über die Muttermilch gefährdet werde.
Zudem sei bei einem Beschäftigungsverbot der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach einem Jahr nicht verfallen. Die von der Krankenkasse angeführte Einjahresfrist gelte nur für vom Arbeitgeber einzuräumende Stillzeiten und nicht, wenn ein Beschäftigungsverbot vorliege.




