Jobcenter kürzte Hartz IV einer Aufstockerin wegen Benzingeld

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Wer Zeitungen mit dem eigenen PKW neben dem Hartz IV Bezug ausfährt, muss mit Kürzungen rechnen, weil das Jobcenter das vom Arbeitgeber bezahlte Benzingeld als “Einkommen” wertet. So erging es einer 56 Jährigen Hartz IV Bezieherin aus einer kleinen Gemeinde in der Lüneburger Heide.

Betroffene fährt Zeitungen aus

Julia G. kann aufgrund eines Unfalls nicht mehr Vollzeit arbeiten. Damit sie neben dem Hartz-4-Bezug wenigstens etwas Geld dazu verdient, fährt sie jeden Morgen mit ihrem priaten alten Volvo Zeitungen aus.

Damit sich der Job überhaupt lohnt zahlt der Verlag neben dem Stundenlohn und Nachtzuschlag auch ein steuerfreies Benzingeld.

Jobcenter wertet Benzingeld als Einkommen

Weil aber das Jobcenter das Benzingeld als Einkommen wertet, befindet sich die Mutter von drei erwachsenen Kindern seit dem Jahre 2019 mit der Behörde in einem Rechtsstreit. „Mit meinem Zusteller-Job versuche ich, halbwegs auf eigenen Beinen zu stehen, aber das Jobcenter macht mir das Leben zur Hölle. Es ist eigentlich unglaublich”, beklagt sie sich in einem Gespräch mit “Focus”.

Die Betroffene erhält neben dem Stundenlohn in Höhe von 9,35 Euro, 24 Cent pro gefahrenem Kilometer für das Benzin. Die zurückgelegte Strecke wird mit einem GPS-Sender genau gemessen, damit der Verlag auch tatsächlich nur die gefahrenen Kilometer zahlt, die Julia G. für ihre Tätigkeit als Zeitungszustellerin fährt.

Dabei geht es hier nur um kleine Beträge. Jeden Tag fährt sie rund 12 Kilometer. Das sind dann 2,88 Euro pro Arbeitstag, also etwa 80 Euro je Monat. Das Benzingeld benötige ich, um meinen Zusteller-Job überhaupt ausüben zu können, betont die Betroffene.

Angeblich keine zweckgebundenen Leistungen

Doch das Jobcenter sieht das vollkommen anders. Die Behörde bewertet das Benzingeld als Einkommen und kürzte die aufstockenden Hartz IV Leistungen erheblich. Von dem Benzingeld darf sie nur 20 Prozent, also je gefahrenen Kilometer nur knapp 5 Cent behalten. So zahlt sie von dem Mindestlohn auch noch die Benzinkosten zum größten Teil selbst.

Die Behörde argumeniert in einem Bescheid hingegen, es würde sich bei den Spritkosten nicht um um zweckgebundene Zahlungen handeln sondern um einen regulären Anteil des Erwerbseinkommens. Aus diesem Grund würde das Benzingeld als Lohnbestandteil angesehen. Im Übrigen würde das Jobcenter diese Berechnung bei allen Zustellern in der Region ebenso berechnen.

Eilantrag bei Gericht gibt Hartz IV Bezieherin Recht

Weil also der Widerspruch abgelehnt wurde, stellte sie einen Eilantrag beim zuständigen Sozialgericht. Das Sozialgericht gab in einem Beschluss (Az.: S 50 AS 17/21 ER) der Klägern Recht.

Das Gericht beschloss, dass „der Antragstellerin vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB Il für den Zeitraum Februar bis April 2021 ohne Anrechnung der in den Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers als ‚Benzingeld‘ bezeichneten Lohnbestandteile zu leisten“ sind.

In der Begründung hieß es weiter, dass der Klägerin immer lediglich die anfallenden Fahrtkosten des Vormonats ersetzt. Julia G. habe lediglich die Fahrtkosten im Vorraus gezahlt und dann erstattet bekommen. „Es handelt sich dabei also lediglich um einen Aufwendungsersatz und nicht um echte Lohnzahlungen”, so das Gericht.

Rechtsstreit noch nicht beendet

Doch der Rechtsstreit ist noch nicht beendet. Denn das Sozialgericht hat lediglich für den Zeitraum Februar bis April 2021 beschlossen, dass die Fahrtkosten nicht angerechnet werden dürfen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht also noch aus.

“Die Entscheidung im Eilverfahren lasse keine Rückschlüsse auf das kommende Urteil zu”, betonte eine Gerichtssprecherin.

In einem Hauptsacheverfahren wird das Urteil durch einen hauptberuflichen Richter und zwei ehrenamtlichen Richter/innen gefällt. Deshalb sei der Ausgang des Verfahrens noch offen. Julia G. hofft nun auf das Urteil. Allerdings wird das Warten darauf für sie zur Qual.

Jobcenter bleibt bei seiner Rechtsauffassung

Beim Jobcenter selbst gibt man sich gelassen und verweist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts in einem ähnlich gelagerten Fall. Schließlich habe die Behörde eine bundesweit anwendbare Regelung angewandt, so Jobcenter-Chef Andreas Rösler gegenüber “Focus”.