Hartz IV Urteil: Keine Heizkosten Kürzung

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Kürzung Heizkosten Prüfung wegen Unwirtschaftlichkeit ist nicht zulässig
Auszug:
„ … Zudem ist eine Kürzung der Heizkosten ohne Prüfung eines unwirtschaftlichen Heizverhaltens und unter Heranziehung pauschaler Richtwerte nicht zulässig (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, Rdnr.67 zu § 22 m.w.N.). …“

FSB · Bayerisches Landessozialgericht /7. Senat
Entscheidung:
Unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Regensburg vom 4. Dezember 2006 wird der Klägerin für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin S. P. beigeordnet.

Gründe:
I. Die Beklagte bewilligte der 1954 geborenen Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf.) ab 01.01.2005 Arbeitslosengeld (Alg) II, wobei sie Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von monatlich 305,00 EUR übernahm. Nach Erhalt der Nebenkostenabrechnung vom 01.06.2005 für das Jahr 2004 beantragte die Bf. die Übernahme der Nachzahlung in Höhe von 251,28 EUR. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12.08.2005 mit der Begründung ab, es würden bereits die angemessenen KdU in voller Höhe gezahlt. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2006 als unbegründet zurück. Unter Anwendung der in § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) festgesetzten Höchstbeträge belaufe sich die Miete von Alleinstehenden in Gemeinden mit der Mietstufe I auf monatlich 265,00 EUR; diese Obergrenze gelte als angemessene Mietobergrenze für den gesamten Landkreis S … Die Angemessenheit werde von der jeweiligen ARGE bestimmt. Angemessene Heizkosten lägen vor, wenn ohne Berücksichtigung der Heizungsart die Kosten einen Quadratmeterpreis von 0,80 EUR der angemessenen Wohnungsgröße nicht überschreiten. Im Falle der Klägerin könnten bei einem angemessenen Wohnflächenanteil von bis zu 50 qm nur angemessene Heizkosten in Höhe von bis zu 40,00 EUR erstattet werden. Bezüglich der Nachzahlungen aus zurückliegenden Jahren käme nur eine darlehensweise Übernahme in Betracht; die entsprechenden Voraussetzungen seien ebenfalls nicht gegeben.

Hiergegen hat die Bf. zum Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat das SG mit Beschluss vom 04.12.2006 abgelehnt. Wie sich aus dem in den Akten befindlichen Berechnungsbogen für Oktober 2004 hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergebe, seien auch beim Sozialhilfebezug lediglich KdU von 265,00 EUR (Grundmiete und kalte Nebenkosten) berücksichtigt worden. Eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten nach § 22 Abs.1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) II komme deshalb nicht in Betracht, weshalb sich eine Nachzahlung der offen gebliebenen Betriebskosten verbiete. Von den Heizkosten sei der Warmwasseranteil abzuziehen. Auch bezüglich des Restbetrages bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Nachforderung. Die von der Beklagten als angemessen anerkannte Heizungspauschale von 0,80 EUR pro Quadratmeter der zuzugestehenden Wohnfläche sei nicht zu beanstanden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Bf., die geltend macht, während des Sozialhilfebezuges sei keine Herabsetzung der anzuerkennenden Unterkunftskosten durch Verwaltungsakt erfolgt. Die tatsächlichen Heizkosten seien zu übernehmen. Es sei zudem fraglich, ob diesbezüglich eine Pauschalierung vorgenommen werden könne. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.Die zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) liegen vor. Nach der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann die Bf. die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht teilweise, aufbringen.

Die nach § 114 ZPO erforderliche Aussicht auf einen Erfolg der Klage kann bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht verneint werden. Da das Verfahren über die Bewilligung von PKH den Rechtsschutz nicht bereits gewähren, sondern lediglich ermöglichen will, braucht der Erfolg der Klage nicht festzustehen, vielmehr genügt eine nicht lediglich entfernte Möglichkeit eines Erfolges. Dies ist hier zu bejahen.

Dem SG ist darin zu folgen, dass von der Nebenkostennachzahlung in jedem Fall der Warmwasseranteil abzuziehen und damit von der Beklagten nicht zu übernehmen ist, da die Kosten für die Warmwasseraufbereitung in den Regelleistungen enthalten sind. Im Übrigen steht einer Übernahme der Nachzahlung nicht entgegen, dass diese Kosten aus dem Jahr 2004 resultieren. Entscheidend ist, dass diese KdU mit der Rechnungsstellung im Jahre 2005 fällig und zu bezahlen sind, so dass es sich um tatsächliche Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II handelt.

Gegenwärtig steht jedenfalls nicht fest, dass es sich bei der Nachzahlungsforderung insgesamt um Kosten handelt, die den Rahmen des Angemessenen im Sinne des § 22 Abs.1 Sätze 1 und 2 SGB II überschreiten. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen kann jedenfalls nicht bestimmt werden, ob die von der Bf. entrichtete Nettomiete von 243,78 EUR und die monatlichen "kalten" Nebenkosten von 43,69 EUR unangemessen im Sinne des § 22 Abs.1 Satz 2 SGB II sind. Hierbei kann dahinstehen, ob die Bf. während des Sozialhilfebezuges in zutreffender Weise auf eine Unangemessenheit ihrer Wohnkosten und einer Verpflichtung zur Senkung derselben hingewiesen wurde. Denn die Festlegung der Mietobergrenzen unter Heranziehung der Höchstbeträge des § 8 WoGG ist grundsätzlich kein geeigneter Maßstab zur Bestimmung der angemessenen KdU (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R). Außerdem kann nicht für den gesamten Landkreis eine einheitliche Mietobergrenze bestimmt werden; vielmehr ist auf den jeweils örtlichen Wohnungsmarkt abzustellen, hier also auf den der Stadt S …
Zudem ist eine Kürzung der Heizkosten ohne Prüfung eines unwirtschaftlichen Heizverhaltens und unter Heranziehung pauschaler Richtwerte nicht zulässig (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, Rdnr.67 zu § 22 m.w.N.). Somit sind in jedem Fall weitere Ermittlungen erforderlich, um die Angemessenheit der KdU, von der die Übernahme der Nachzahlung abhängt, beurteilen zu können. Da die zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen nicht einfach gelagert sind, ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs.2 ZPO erforderlich. Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG). Landessozialgericht Bayern, 7 B 59/07 AS PKH-veröffentlicht am 10.08.07)