Urteil: Schülerin hat Anspruch auf Kostenerstattung eines Schreibtisches
09.03.2012
Wie das das Sozialgericht Berlin neuerlich urteilte, haben Schüler aus Hartz IV Bedarfsgemeinschaften einen Anspruch auf Kostenerstattung eines Schreibtisches im angemessenen Wert. Der Anspruch besteht dann, wenn nachweisbar ist, dass sich in der gesamten Wohnung kein Platz befindet, um die Hausaufgaben adäquat zu erledigen. Im Gegensatz zur Ersatzbeschaffung handelt es sich hierbei um eine „einmalige Anschaffung“. Demnach haben Betroffene nach Ansicht der Sozialrichter keinen Anspruch auf einen neuen Schreibtisch, sondern können sich nur einen gebrauchten Schreibtisch zulegen.
Kein Platz für Schularbeiten
Im vorliegenden Fall klagte die Mutter eines sechsjährigen Kindes. Die Kindesmutter lebt mit der sechsjährigen Tochter, einem zehnjährigen Sohn und einem Säugling in einer Wohnung mit drei Zimmern. Die Tochter wurde im Jahre 2008 eingeschult. Im Zuge dessen beantragte die Mutter für ihre Tochter die Kostenerstattung für einen Schreibtisch. Da sie selbst studiere könne das Schulkind nicht den Schreibtisch der Mutter mitbenutzen. Zudem schlafe das Baby im selben Zimmer. Der 10jährige Sohn hatte sich zwar selbst einen Schreibtisch gebaut, diesen müsse er aber selbst für die Schule benutzen. Zudem habe der große Bruder oft Freunde zu Besuch. In der kleinen Küche der Wohnung fehle der Platz und die Ruhe zum Erledigen der Hausaufgaben.
Den Antrag auf Kostenübernahme verweigerte der zuständige Leistungsträger. Nach Meinung des Jobcenters Schöneberg sei es dem Kind zuzumuten, einen der zwei Schreibtische in der Wohnung mitzubenutzen. Ein Widerspruch wurde abgelehnt, woraufhin die Betroffene Klage einreichte und aus dem Hartz IV Regelsatz zunächst einen Schreibtisch für 120 Euro kaufte.
Schreibtisch gehört zur Erstausstattung
Das Verfahren wurden aufgrund weiterer Rechtsstreitigkeiten erst im Jahre 2012 wieder aufgenommen. Das Sozialgericht Berlin gab der Klägerin teilweise Recht und wies Jobcenter an, eine Kostenerstattung in Höhe von 70 Euro an die Klägerin auszuzahlen. Ein Schreibtisch gehört zur Erstausstattung der Wohnung sei demnach eine einmalige Anschaffung. Im Hinblick auf den konkreten Fall erklärten die Richter, dass das Bundessozialgericht in einem früheren Verfahren bereits deutlich machten, dass unter dem Begriff Erstausstattung alle Gegenstände fallen, die für eine geordnete Lebens- und Haushaltsführung notwendig sind. Zudem müsse für Hartz IV Empfänger ein an den vorherrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht werden.
Kinderschreibtisch für Schulleistungen notwendig
In dem verhandelten Fall habe ein offensichtlicher Bedarf bestanden. Der Schreibtisch ist notwendig, damit die Schülerin ihre Hausaufgaben in einer angemessenen Atmosphäre erledigen kann. Nur so kann ein Lernerfolg erzielt werden. Eine Gerichts-interne Nachschau im Internet habe allerdings ergeben, dass vergleichbare Modelle bereits für rund 70 Euro erworben werden können. Daher werde nur dieser Betrag für den Kinderschreibtisch erstattet.
Ergänzung durch Rechtsanwalt Volker Gerloff (hat die Klägerin vertreten):
"Es entsteht der Eindruck, als ob jeder Schüler nun einen Schreibtisch beantragen könnte, wenn kein anderer Arbeitsplatz in der Wohnung vorhanden ist. Ganz so einfach wird es leider nicht sein. Das Sozialgericht Berlin machte in der mündlichen Verhandlung klar, dass es grundsätzlich der Ansicht ist, dass ein "Hartz IV Kind" darauf verwiesen werden kann bspw. am Küchentisch Hausaufgaben zu machen – die Eltern hätten dann eben für
die nötige Ruhe zu sorgen. Das SG Aachen hatte so bereits einen Anspruch ab gelehnt: SG Aachen vom 09.01.2077 (S 11 AS 96/06). Das SG Berlin erklärte ausdrücklich, dass es diese Entscheidung für richtig hält und nur die Umstände des besonderen Falles (ein älterer schulpflichtiger Bruder, eine kleine Schwester, 3 Zimmerwohnung, enge Küche mit kleinem Esstisch usw.) zur Bewilligung der Leistungen für einen Schreibtisch führten." (SG Berlin, Az.: S 174 AS 28285/11 WA)
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