Dieses Urteil hilft Menschen mit psychischen Erkrankungen, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Rentenversicherte, deren psychische Erkrankung ihre Arbeitsleistung schwรคcht, haben einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Das gilt, und hier stรคrkt das Urteil die Betroffenen, auch dann, wenn mรถgliche Behandlungen nicht ausgereizt sind oder Therapien bisher nicht stattfanden.
Ob die Krankheit behandelbar sei, spiele lediglich eine Rolle fรผr die Dauer und Befristung einer Erwerbsminderungsrente, nicht fรผr den Anspruch auf die Rente selbst. So entschied das Sozialgericht Dresden (S 4 R 876/18).
Inhaltsverzeichnis
Laut Rentenversicherung bestand keine Erwerbsminderung
Der Betroffene war arbeitslos und beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland wegen psychiatrischer Krankheiten eine Erwerbsminderungsrente.
Die Rentenversicherung lehnte dies ab. Die Begrรผndung lautete: Er kรถnne nach der Einschรคtzung der Sozialmedizin (der Versicherung) noch mindestens sechs Stunden tรคglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tรคtig sein.
Voraussetzung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist es aber, weniger als sechs Stunden pro Tag arbeiten kรถnnen.
Bis dahin keine Therapie durchgefรผhrt
Der Knackpunkt war jetzt die weitere Begrรผndung: Die Beschwerden kรถnnten durch eine angemessene Therapie in einem รผberschaubaren Zeitraum gebessert werden.
Bisher sei weder eine fachรคrztlich psychiatrische Therapie noch eine ambulante oder eine stationรคre beziehungsweise teilstationรคre Psychotherapie erfolgt.
Keine Rente, weil die Krankheit behandelbar ist
Kurz gesagt: Die Rentenversicherung stellte nicht infrage, dass seine Beschwerden zur Zeit des Antrags auf eine Erwerbsminderungsrente seine Leistung in einem dieser Rente entsprechenden Ausmaรe einschrรคnkten.
Doch behauptete sie, diese Beschwerden kรถnnten sich durch eine Behandlung in einem solchen Ausmaร verbessern, dass keine Erwerbsminderung mehr vorliege.
Sozialgericht gibt dem Klรคger recht
Der Antragsteller klagte vor dem Sozialgericht Dresden und bekam Recht. Das Sozialgericht Dresden verpflichtet die Rentenversicherung dazu, eine befristete Erwerbsminderungsrente auszuzahlen.
Betroffener ist seit Jahren erwerbsgemindert
Das Gericht argumentierte, der Klรคger sei seit fast zwei Jahren wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen, unter den รผblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden zu arbeiten.
Das entsprรคche den Voraussetzungen an eine teilweise Erwerbsminderungsrente.
Fehlende Behandlung spielt keine Rolle
Die von der Rentenversicherung ins Spiel gebrachte fehlende Therapie akzeptierte das Gericht nicht als Argument gegen eine (befristete) Rente wegen Erwerbsminderung.
Zu wenig Therapieplรคtze, mangelnde Beratung
Erstens sei eine fehlende Behandlung oft nicht durch die Betroffenen selbst verschuldet, sondern liege an unzureichenden รคrztlichen Beratungen und begrenzten Therapieplรคtzen.
Zweitens – und hier wird es spannend, wenn sie selbst gegenรผber der Rentenversicherung einmal in einer รคhnlichen Situation sein sollten – fehle die gesetzliche Grundlage fรผr die Argumentation der Rentenversicherung.
Verweigerung nur bei fehlender Mitwirkung
Falls es tatsรคchlich Mรถglichkeiten gebe, die Erkrankung erfolgreich zu behandeln, dรผrfe die Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente dennoch nicht im Vorfeld verweigern.
Die Rentenzahlung zu verweigern sei erst dann gerechtfertigt, wenn der Versicherte zumutbare Behandlungen nach und trotz Aufforderung nicht wahrnehme.