Ein Bürgergeld-Bezieher klagte auf höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II für 2022 und argumentierte, der Regelbedarf sei wegen der Inflation nicht verfassungsgemäß. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies die Klage ab, mit der Begründung, dass die Inflationsrate nicht direkt auf den Regelbedarf übertragbar sei.(L 12 AS 1814/22)
Hintergrund: Der Fall
Der Kläger bezog Bürgergeld und machte bei der für ihn zuständigen Gemeinde höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II geltend. Diese hätte die Kommune ihm ohnehin nicht gewähren können, da nicht die Kommunen oder einzelnen Jobcenter über die Höhe des gesetzlich festgelegten Regelsatzes bestimmen.
Das Sozialgericht Münster wies die Klage ab
Er klagte vor dem Sozialgericht Münster, kritisierte, dass die Höhe des Regelbedarfs der Verfassung entspreche und forderte zudem wegen der COVID-19-Pandemie die Gewährung eines Mehrbedarfs.
Das Sozialgericht Münster wies die Klage per Gerichtsbescheid ab.
Landessozialgericht lehnt Berufung ab
Der Mann legte Berufung gegen den Gerichtsbescheid beim Landessozialgericht ein. Dieses wies die Berufung zurück und begründete diese Entscheidung ausführlich.
Der Kaufkraftverlust durch die Inflationsrate sei auch bei Einkommen in Form staatlicher Transferleistungen erheblich gewesen. Daraus ergebe sich aber keine Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs.
Inflationswerte seien nicht ohne weiteres auf die Güter zu übertragen, die im Regelsatz wichtig wären.
Teuerungsraten unterscheiden sich deutlich
Das Gericht schlüsselte auf, dass sich die Teuerungsraten bei den einzelnen Warengruppen im Regelsatz erheblich unterschieden. Die höchsten Teuerungsraten seien im Bereich Energie und hier primär bei den Heizkosten. Diese würden jedoch grundsätzlich vom Jobcenter in tatsächlicher Höhe übernommen.
Wörtlich heißt es: “Zwar muss die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung auf im Ausgangspunkt tragfähigen Grundannahmen, Daten und Berechnungsschritten beruhen.”
Doch Bedenken wegen einzelner Berechnungen hätten nicht ohne Weiteres eine verfassungsrechtliche Bedeutung.
Innerhalb des Regelsatzes hätten sich die Preise für Nahrungsmittel deutlich verteuert, bei Bekleidung und Schuhen, Beherbergung, Post und Telefonkommunikation oder Gesundheitspflege sei es zu weniger starken Preissteigerungen gekommen.
Im Bereich Verkehr (fällt ebenfalls unter den Regelbedarf) habe es zwischen Juni und August 2022 mit dem 9-Euro-Ticket sogar eine Preissenkung gegeben.
Der Gesetzgeber hat reagiert
Außerdem sei es vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, aus der Inflationsrate Schlussfolgerungen hinsichtlich der Anpassung der Regelleistungen zu stellen.
Das hätte der Gesetzgeber getan. So hätte es im Juli 2022 eine Einmalzahlung zum Inflationsausgleich von 200 Euro gegeben. Zudem sei mit der Einführung des Bürgergeldes am 1.1.2023 der Regelsatz deutlich gesteigert worden.
Nach dieser Steigerung des Regelsatzes um 11,8 Prozent im Januar 2023 hätte es eine weitere Erhöhung um 12,2 Prozent im Januar 2024 gegeben.
“Damit habe (der Gesetzgeber) im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in einem zumutbaren Zeitraum ein inflationsgeschütztes Grundsicherungsniveau geschaffen.”
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.