Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er den Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte, verfällt nur dann nach einer Übertragung von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ermöglichte, in Urlaub zu gehen. So entschied das Bundesarbeitsgericht. ( 9 AZR 245/19)
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Mehrere Jahre volle Erwerbsminderung
Der Betroffene hat eine anerkannte Schwerbehinderung. Er war bei einer Flughafengesellschaft als Frachtfahrer für Bodenverkehrsdienste beschäftigt. Zwischen dem ersten Dezember 2014 und zumindest August 2019 konnte er seine Arbeitsleistung nicht erbringen, da er voll erwerbsgemindert war. In dieser Zeit konnte er deshalb auch seinen Urlaub nicht nehmen.
Urlaub aus der aktiven Arbeitszeit
Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnis ging er davon aus, dass ihm noch Resturlaub zustand aus der Zeit, in der er noch tatsächlich arbeitete. Der Arbeitgeber hielt diesen Urlaubsanspruch jedoch für verfallen.
Urlaub konnte nicht genommen werden
Der Arbeitnehmer argumentierte indessen, der Arbeitgeber sei seiner Mitwirkung, den Urlaub zu gewähren, damit der Betroffene diesen überhaupt hätte in Anspruch nehmen können, nicht nachgekommen. Deshalb sei der Urlaubsanspruch nicht verfallen. Da keine Einigung zustande kam, klagte der Erwerbsgeminderte vor dem Arbeitsgericht.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht weisen die Klage ab
In den ersten beiden Instanzen hatte er keinen Erfolg, denn sowohl das zuständige Arbeitsgericht wie auch das Hessische Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber Recht und wiesen die Klage ab. Doch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht sah die Klage als berechtigt an.
Urlaub verfällt nicht allein aus gesundheitlichen Gründen
Das Gericht widersprach dem Arbeitgeber, der meinte, aus gesundheitlichen Gründen sei der 2014 nicht genommene Urlaub verfallen. Dies sei nicht der Fall. Zwar würden Urlaubsansprüche grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres oder des zulässigen Übertragungszeitraums erlöschen.
Der Arbeitgeber muss den Urlaub ermöglichen
Dies gelte aber nur, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung sogenannter Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten ermöglicht hätte, seinen Urlaubsanspruch umzusetzen, und der Arbeitnehmer den Urlaub trotzdem nicht genommen hätte. Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte.
Was gilt bei Arbeitsunfähigkeit?
Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit verfielen Urlaubsansprüche nach einer Frist von 15 Monaten, so das Bundesarbeitsgericht. Dies entspreche auch den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs. Es gelte, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seit Beginn des Urlaubsjahrs durchgehend bis bis zum 31. März des Folgejahrs keinen Urlaub antreten könnte.
In dieser Situation spiele auch die Mitwirkung des Arbeitgebers keine Rolle, weil dieser nicht dazu beitragen könne, den Urlaub in Anspruch zu nehmen.
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Der Erwerbsgeminderte hatte gearbeitet
In diesem Fall sei die Situation jedoch eine andere. Erst im Dezember 2014 wurde der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig. Der Betroffene hätte im Urlaubsjahr gearbeitet, bevor er voll erwerbsgemindert wurde, erklärten die Richter.
Der Arbeitgeber hätte ihn darum rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzen zu müssen, seinen Urlaub zu nehmen. Das sei nicht geschehen.
Urlaubsanspruch konnte nicht erlöschen
Der Betroffene hätte für 2014 einen Anspruch auf 24 Urlaubstage gehabt. Diese könnten bei ihm nicht nach 15 Monaten erloschen sein. Dagegen spreche, dass er mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten.
Bis zum ersten Dezember 2014 hätte der Arbeitgeber nicht mitgewirkt beim Urlaubsanspruch, obwohl ihm dies möglich gewesen sei. Darum bliebe der Resturlaub erhalten.