Das Jobcenter darf Bürgergeld nicht wegen Rente ablehnen

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Wurde ein türkischer Polizist allein aus politischen Gründen in den Ruhestand gezwungen, kann er nach seiner Flucht nach Deutschland auch mit seiner türkischen Rente noch Grundsicherungsleistungen vom Jobcenter beanspruchen.

Ausschluss von Bürgergeld für Rentner greift ausnahmsweise nicht

Der eigentlich vorgesehene Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für Rentner greift ausnahmsweise nicht, wenn der erwerbsfähige Betroffene aus politischen Gründen eine Rente beantragen musste und er die deutsche gesetzliche Altersgrenze für den Bezug von Grundsicherungsleistungen noch nicht erreicht hat, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 10. Juli 2024 (Az.: L 2 AS 2146/22).

Die Stuttgarter Richter ließen allerdings die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

LSG Stuttgart: Früherer türkischer Polizist wurde in Rente gezwungen

Der 1972 geborene Kläger war in der Türkei als Polizeibeamter beschäftigt. Nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 kam es zu Massenentlassungen von Staatsbediensteten durch den türkischen Präsidenten.

Auch der Kläger wurde vom Dienst wegen angeblicher Anhängerschaft zur Gülen-Bewegung vom Dienst suspendiert und in Untersuchungshaft genommen. Nach seiner Freilassung wurde er nicht mehr beschäftigt. Er wurde gezwungen, im Alter von 45 Jahren einen Rentenantrag zu stellen.

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Als eine erneute Inhaftierung drohte, flüchtete der Kläger nach Deutschland. Seine Ehefrau und seine beiden Kindern folgten ihm nach seiner Flüchtlingsanerkennung. Um seinen Lebensunterhalt in Deutschland zu sichern, beantragte der Kläger beim Jobcenter für den Zeitraum Dezember 2019 bis 30. Juni 2020 Grundsicherungsleistungen, das heutige Bürgergeld.

Das Jobcenter lehnte den Antrag ab. Der Kläger beziehe eine türkische Rente in Höhe von zunächst 3.000 türkischen Lira (ab Juli 2022 waren es 3.200 türkische Lira bei einem Wechselkurs von 182,88 Euro).

Die Rente sei mit einer deutschen Altersrente vergleichbar, so dass nach den gesetzlichen Bestimmungen der Bezug von Grundsicherungsleistungen generell ausgeschlossen sei.

Gericht spricht Kläger Bürgergeld zu

Das LAG sprach dem Kläger dem Grunde nach Grundsicherungsleistungen durch das Jobcenter zu. Der Kläger sei weder aus eigenem Entschluss noch wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Er sei aus politischen Gründen gezwungen gewesen, im Alter von 45 Jahren eine türkische Rente zu beantragen.

Die Mindestaltersgrenze für eine türkische Rente habe aber damals bei 49 Jahren gelegen.

Zwar bestehe nach deutschem Recht normalerweise ein Leistungsausschluss für Rentner – und zwar unabhängig von der Rentenhöhe. Es entspreche aber nicht dem Sinn und Zweck der Regelung, Leistungsempfänger vom Erwerbsleben fernzuhalten, wenn sie noch erwerbsfähig seien und die Altersgrenze noch nicht erreicht hätten. fle