Ein Geldgeschenk der Eltern für ihren Sohn mit Bürgergeldbezug und seiner Lebensgefährtin in einer Bedarfsgemeinschaft zu Weihnachten in Höhe von 400 € für zwei Personen ist nicht auf das Bürgergeld anzurechnen (§ 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II – SG Kiel, Urteil vom 23.09.2024 – S 34 AS 10/23 – ).
Geldgeschenke zu Weihnachten sollen grundsätzlich nicht zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden, sondern die Erfüllung eines Wunsches abseits vom Existenzminimum ermöglichen. Dies würde durch eine Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II vereitelt. Zwar sind Einnahmen in Geld nach § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich leistungsmindernd auf den Bürgergeldanspruch anzurechnen.
Inhaltsverzeichnis
Die Berücksichtigung wäre vorliegend grob unbillig
In vorliegendem Fall greift aber eine der Ausnahmen nach § 11a Abs. 5 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre (Nr. 1) oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (Nr. 2).
Es bestand keine rechtliche oder sittliche Pflicht der Eltern – Verwendungszweck der Überweisung auf das Girokonto war: Für Weihnachten
Bei der Zahlung der 400 € handelte es sich um eine Zuwendung, zu deren Erbringung keine rechtliche oder sittliche Pflicht bestand. Die Anrechnung auf das Bürgergeld war zudem auch – grob unbillig.
Grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn die Zuwendung mit einem erkennbaren Zweck verknüpft ist, dessen Verwirklichung durch eine Anrechnung auf das Bürgergeld vereitelt würde.
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Zweck eines Weihnachtsgeschenkes – Wunscherfüllung
Zweck eines Weihnachtsgeschenkes ist es, dass sich der Beschenkte zu Weihnachten einen Wunsch erfüllen kann, der über die bloße Existenzsicherung hinausgeht. Genau dieser Zweck würde aber durch eine Anrechnung des Weihnachtsgeschenkes verunmöglicht, denn der Kläger hätte hierdurch zu Weihnachten nicht mehr als ohne das Geschenk.
Im Übrigen beeinflusste der Betrag von 400 € die Lage des Klägers und dessen Partnerin auch nicht so günstig, dass daneben die Zahlung von Bürgergeld nicht mehr gerechtfertigt wäre.
Angesichts der großen Bedeutung des Weihnachtsfestes sowie der geringen Bürgergeldleistungen erachtete das Sozialgericht Kiel die Nichtberücksichtigung eines Betrages in Höhe von 400 € für zwei Personen für angemessen.
Fazit
Wir von gegen-hartz.de begrüßen dieses Urteil und wünschen allen Menschen eine besinnliche Vorweihnachtszeit! Mein Dank gilt RA Helge Hildebrandt.
Praxistipp: BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 75/20 R – Anrechnung Trinkgeld – Einzelfallberücksichtigung
Grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn die Zuwendung mit einem objektivierbaren Zweck verknüpft ist, dessen Verwirklichung durch eine Berücksichtigung als Einkommen vereitelt würde (BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 75/20 R – ).
Geldgeschenke zu Weihnachten sollen grundsätzlich nicht zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden, sondern die Erfüllung eines Wunsches abseits vom Existenzminimum ermöglichen. Dies würde durch eine Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II vereitelt.
Zwar ist das Bundessozialgericht im Falle der Erzielung von Trinkgeld davon ausgegangen, dass bei einer Zuwendung, die 10 % des jeweils maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigt, typisierend davon auszugehen ist, dass die Subsidiarität existenzsichernder SGB II-Leistungen gewahrt bleibt (BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 75/20 R –).
Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung aber auch ausgeführt, dass die Grenze von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Zuwendungen, die nicht § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II unterfallen, nur gilt, soweit nicht – besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Beurteilung erforderlich machen!
Im Gegensatz zu Trinkgeldern handelt es sich bei Geldgeschenken zu Weihnachten gerade nicht um monatlich erzielte Einnahmen, sondern um lediglich einmal jährlich erfolgende Zuwendungen. Sie dienen im Gegensatz zum Trinkgeld auch nicht dem Lebensunterhalt.
Praxistipp: Zur Anrechnung von Geldgeschenken von den Eltern und Liebsten zu Weihnachten
Auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII – Sozialhilfe – stellt die Zuwendung der Eltern in Höhe von 400 € als Weihnachtsgeschenk grundsätzlich kein anrechenbares Einkommen dar aufgrund einer besonderen Härte ( § 84 Abs. 2 SGB 12 ).
Freiwillige Zuwendungen Dritter sollen gemäß § 84 Abs 2 SGB XII als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte bedeuten würde.
Anders als im Anwendungsbereich des § 84 Abs 1 SGB XII ist die Berücksichtigung einer freiwilligen Zuwendung als Einkommen damit der Regelfall.
Nur ausnahmsweise erfolgt keine Berücksichtigung, wenn der Einsatz der Einnahmen durch Hinzutreten atypischer Umstände übermäßig hart bzw grob unbillig erscheint (so die Formulierung in § 11a Abs 5 Nr 1 SGB 2, der an § 84 Abs 2 SGB XII ausdrücklich angelehnt ist, vgl BT-Drucks 17/3404 S 94; dazu auch Geiger in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 12. Aufl 2020, § 84 RdNr 8 ).
Die Prüfung der besonderen Härte erfolgt in wertender Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Umstände.
Wie die Systematik der Regelungen in §§ 82 ff SGB XII zeigt, sind Gründe für eine Nichtberücksichtigung auf der Einnahmenseite (“gesetzliche Härtefälle”) vor allem besondere Anlässe oder Zwecke einer Einnahme (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 83 Abs 1 SGB XII); auch im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 SGB XII ist damit bei Prüfung einer besonderen Härte in erster Linie den Umständen und dem Zweck der Zuwendung nachzugehen.
Insbesondere die Berücksichtigung von Zuwendungen, die denselben Zweck verfolgen wie die Sozialhilfe, bedeutet im Regelfall keine besondere Härte (vgl bereits BSG vom 23.8.2013 – B 8 SO 24/11 R – ).
Auch bei der Prüfung nach § 84 Abs 2 SGB XII sollen Doppelleistungen vermieden werden, sodass das Vorliegen einer besonderen Härte – ähnlich wie dies § 84 Abs 1 SGB XII ausdrücklich formuliert – auch davon abhängt, ob die Nichtanrechnung der Zuwendung neben der Sozialhilfe ungerechtfertigt ist.
Eine pauschalierende Betrachtung an Einkommensgrenzen verbietet sich nach Rechtsprechung BSG
Im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 SGB XII verbietet sich schließlich eine pauschalierende Betrachtung an Einkommensgrenzen.
Wenn Sie als Sozialhilfeempfänger von Ihren Liebsten ( Eltern, Großeltern , Kindern oder ihnen nahe stehenden Personen ) ein Geldgeschenk zu Weihnachten erhalten ( Verwendungszweck : Für Weihnachten ), darf der Sozialhilfeträger diese Zuwendung nicht als Einkommen anrechnen.
Geldzahlungen, welche Sozialhilfeempfänger zu Weihnachten erhalten, müssen aufgrund der Härtefallregelung in § 84 Abs. 2 SGB X !” anrechnungsfrei bleiben.
Bis zu welcher Höhe sind Geldgeschenke an Sozialhilfeempfänger zu Weihnachten anrechnungsfrei?
Das müssen leider die Gerichte entscheiden, denn pauschal kann man das nicht sagen, es zählt aber immer der Einzelfall und die Gesamtumstände.
Betroffene sollten sich nicht scheuen, Widerspruch und Klage anzustreben, denn nach der Rechtsprechung des BSG verbietet sich schließlich eine pauschalierende Betrachtung an Einkommensgrenzen im im Anwendungsbereich des § 84 Abs 2 SGB XII.
Rechtsquellen:
BSG, Urt. v. 13.07.2022 – B 7/14 AS 75/20 R –
BSG, Urt. v. 03.07.2020 – B 8 SO 27/18 R –
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.