Bürgergeld: Ordnungsgeld rechtswidrig – Sozialgericht übertreibt mit Sanktion

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Ein aktueller Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen stärkt die Rechte von Klägerinnen und Klägern in Verfahren rund um das Bürgergeld. Im Verfahren mit dem Aktenzeichen L 5 AS 1371/24 B wurde ein Ordnungsgeld von 150 Euro aufgehoben, das das Sozialgericht Düsseldorf wegen eines verpassten Gerichtstermins verhängt hatte.

Die Begründung: Das Gericht hatte sein Ermessen nicht korrekt ausgeübt – ein Fehler mit Signalwirkung für viele Betroffene.

Gericht verhängt Ordnungsgeld – ohne ausreichende Begründung

Der Fall begann mit einer Klage gegen einen Bescheid im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Klägerin erschien nicht zu einem anberaumten Erörterungstermin am 5. August 2024. Das Sozialgericht setzte daraufhin ein Ordnungsgeld von 150 Euro fest und drohte ersatzweise mit drei Tagen Ordnungshaft. Die Frau legte Beschwerde ein – mit Erfolg.

Das Landessozialgericht hob den Beschluss vollständig auf. Die Begründung: Die Entscheidung des Sozialgerichts enthalte keine nachvollziehbare Ermessensausübung zur Frage, ob überhaupt ein Ordnungsgeld verhängt werden durfte. Das Gericht habe sich lediglich zur Höhe der Sanktion geäußert. Damit fehlte eine zentrale Voraussetzung für eine rechtmäßige Entscheidung.

Ordnungsgeld nur bei schuldhaftem Fernbleiben möglich

Nach der Rechtslage (§ 111 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 ZPO) darf ein Ordnungsgeld nur verhängt werden, wenn ein Beteiligter unentschuldigt einem Gerichtstermin fernbleibt. Wird das Fernbleiben rechtzeitig oder glaubhaft nachträglich entschuldigt, ist von einer Sanktion abzusehen. Genau das war hier offenbar der Fall – und selbst wenn nicht, hätte das Gericht prüfen müssen, ob eine Entschuldigung noch akzeptabel gewesen wäre.

Wichtig: Auch wenn keine fristgerechte Absage erfolgt, müssen Gerichte prüfen, ob ein Verschulden vorliegt. Nur wenn dies bejaht werden kann, kommt ein Ordnungsgeld überhaupt infrage. In diesem Fall hatte das Sozialgericht seine Pflicht zur Einzelfallprüfung nicht erfüllt.

Ordnungshaft im Sozialrecht nicht ohne Weiteres zulässig

Besonders problematisch: Neben dem Ordnungsgeld wurde zusätzlich eine dreitägige Ordnungshaft angedroht. Das Landessozialgericht stellte klar, dass eine solche Ersatzmaßnahme nicht vom Gesetz gedeckt ist. § 141 Abs. 3 ZPO erlaubt keine ersatzweise Freiheitsentziehung in Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz.

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Diese rechtliche Klarstellung hat Bedeutung weit über den Einzelfall hinaus. Gerade Bürgergeld-Beziehende erleben regelmäßig Unsicherheit im Umgang mit Behörden und Gerichten. Die Botschaft des Urteils: Selbst gerichtliche Sanktionen sind an rechtsstaatliche Grenzen gebunden.

Missverständnis über Rücknahme der Klage spielt keine Rolle

Im Hintergrund stand zudem ein technisches Missverständnis: Die Klägerin hatte offenbar versucht, ihre Klage per DE-Mail zurückzuziehen, aber die Nachricht an sich selbst statt an das Gericht gesendet. Doch auch dieser Umstand war laut Gericht letztlich irrelevant. Entscheidend blieb allein, dass das Sozialgericht seine Entscheidung nicht hinreichend begründet hatte.

Das Landessozialgericht machte damit deutlich: Ob die Klägerin die Klage zurückgezogen hat oder nicht, spielt für die Unrechtmäßigkeit der Sanktion keine Rolle.

Was Bürgergeld-Beziehende daraus lernen können

Der Fall zeigt, dass Bürgergeld-Beziehende auch vor Gericht nicht schutzlos sind. Wer zu einem Termin nicht erscheinen kann – etwa aus gesundheitlichen Gründen oder wegen organisatorischer Probleme – sollte sich möglichst frühzeitig beim Gericht melden. Doch auch wenn das nicht gelingt, ist eine nachträgliche Entschuldigung möglich. Und: Gerichte müssen alle Umstände sorgfältig prüfen und dürfen keine Automatismen walten lassen.

Die Entscheidung macht Mut: Auch in Verfahren mit staatlichen Stellen können sich Betroffene erfolgreich zur Wehr setzen – insbesondere dann, wenn es um die Wahrung ihrer Verfahrensrechte geht.

Ordnungsgelder nicht einfach hinnehmen

Nicht jedes Nichterscheinen vor Gericht rechtfertigt eine Strafe. Auch Bürgergeld-Beziehende dürfen erwarten, dass Gerichte ihre Rechte achten und ihr Ermessen gewissenhaft ausüben. Wenn das nicht geschieht, besteht die Möglichkeit zur Beschwerde – mit guten Erfolgsaussichten, wie dieser Fall zeigt.