Die Bundesagentur für Arbeit (BA) darf weder den Grad der Behinderung (GdB) herauf- noch herabsetzen. Zuständig bleibt immer das Versorgungsamt nach § 152 SGB IX; die Begutachtung im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung (§ 145 SGB III) beeinflusst Ihren Schwerbehindertenstatus daher nicht.
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Nahtlosigkeitsregelung (§ 145 SGB III): Warum Arbeitslose plötzlich zum Gutachten müssen
Wer nach längerer Krankschreibung aus dem Job „herausgesteuert“ wird, erhält meist Arbeitslosengeld I. Die BA prüft dann per Gutachten, ob eine Erwerbsminderung vorliegt. Ziel: Klären, ob Reha-Maßnahmen, Vermittlung oder eine Erwerbsminderungsrente sinnvoll sind.
Zuständigkeiten glasklar getrennt
Versorgungsamt: Entscheidet exklusiv über den GdB und stellt Schwerbehindertenausweise aus (§§ 152 ff. SGB IX).
Bundesagentur für Arbeit: Berechnet ALG I, veranlasst Reha, prüft Vermittlungschancen – darf aber keine Schwerbehinderung aberkennen.
Praxisbeispiel: Ein Gutachter der BA kann maximal festhalten, dass Sie bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben können. Diese Einschätzung ändert nichts an Ihrem amtlich festgestellten GdB 60.
Schwerbehindertenrente bleibt unangetastet
Mit GdB 50 oder mehr können Sie ab 62 Jahren (Geburtsjahr 1964 = Regelwert) eine vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte beziehen. Der BA-Bericht hat darauf keinen Einfluss. Erst wenn das Versorgungsamt in einem neuen Verfahren (!) zu einem anderen Ergebnis kommt, könnten Ansprüche entfallen.
Warum die Angst trotzdem weitverbreitet ist
Die Deutsche Rentenversicherung lehnt fast die Hälfte aller Erstanträge auf Erwerbsminderungsrente ab. Viele Betroffene fürchten, ein ungünstiges BA-Gutachten könnte die Chancen zusätzlich verschlechtern. Juristisch besteht jedoch eine klare Trennung: Erwerbsminderung und Schwerbehinderung sind zwei eigenständige Rechtsgebiete; das eine tangiert das andere nicht automatisch.
So gehen Sie souverän in die Begutachtung
- Unterlagen ordnen: Nehmen Sie aktuelle Arztberichte, Klinik-Entlassungsbriefe und den Schwerbehindertenausweis mit.
- Funktion statt Diagnose erklären: Schildern Sie konkret, welche Tätigkeiten wie lange möglich sind (z. B. „30 Minuten stehen, 5 kg heben“).
- Protokoll verlangen: Bitten Sie direkt um eine Kopie des Gutachtens. So sehen Sie frühzeitig, ob Angaben fehlen.
Was tun, wenn das Gutachten fehlerhaft wirkt?
Sie können innerhalb eines Monats schriftlich Stellung nehmen und fehlende Arztbefunde nachreichen. Bleibt die BA bei ihrer Einschätzung, hilft eine sozialrechtliche Beratung oder ein Widerspruch, sobald ein Bescheid zu Leistungen ergeht.
Zusatzvorteile eines stabilen GdB ≥ 50
Mit einem GdB ab 50 stärken Sie Ihren Arbeitsplatz. Ihr Arbeitgeber darf Ihnen nur kündigen, wenn das Integrationsamt zustimmt. Das Finanzamt räumt Ihnen zugleich einen jährlichen Steuerfreibetrag von 1 140 Euro ein (§ 33b EStG).
Außerdem genießen Sie mindestens fünf zusätzliche Urlaubstage pro Jahr (§ 208 SGB IX). Haben Sie 35 Versicherungsjahre, dürfen Sie zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze gehen. Sie erhalten die Rente ohne Abschlag.
Kurzcheck: Wer kann GdB ändern?
Behörde | GdB-Kompetenz (Festlegen / Aufheben) |
Versorgungsamt | Einzige Stelle, die einen GdB bestimmen oder ändern darf; neues Feststellungsverfahren nötig. |
Bundesagentur für Arbeit | Keine Befugnis zur Festlegung oder Aberkennung; bewertet nur die Erwerbsfähigkeit. |
Deutsche Rentenversicherung | Entscheidet über Renten und Reha, aber nicht über den GdB. |
Fazit
Sie behalten Ihren Schwerbehindertenstatus, solange das Versorgungsamt keinen anderslautenden Bescheid erlässt. Ein Gutachten der BA im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung bewertet nur Ihre aktuelle Erwerbsfähigkeit und spielt für den GdB rechtlich keine Rolle.
Nutzen Sie die Untersuchung trotzdem zu Ihrem Vorteil: Je besser Sie Ihre gesundheitlichen Einschränkungen belegen, desto eher sichern Sie künftige Leistungen wie Reha oder Rente.