Bezieher von Bürgergeld nach dem SGB II können ihre Mietschulden vom Jobcenter übernehmen zu lassen. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 8 SGB II, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Schuldenübernahme zur Sicherung der Wohnung “gerechtfertigt” ist.
Eine aktuelle Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2023 (Az. L 6 AS 127/23 B ER) allerdings widersprach der bisherigen Praxis.
Wann ist die Schuldenübernahme seitens des Jobcenters “gerechtfertigt”?
Die “Gerechtfertigtheit” der Schuldenübernahme durch das Jobcenter wird vor allem dann als gegeben angesehen, wenn sie erforderlich ist, um den drohenden Wohnungsverlust, also eine Obdachlosigkeit, abzuwenden.
Dieser Wohnungsverlust ist spätestens dann akut, wenn der Vermieter aufgrund von Mietrückständen die Wohnung gekündigt hat oder bereits eine Räumungsklage anhängig gemacht hat.
Ausnahme bei drohendem Mietverlust
Allerdings gibt es Ausnahmefälle, in denen die Übernahme der Mietschulden nicht als “gerechtfertigt” betrachtet wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch die Übernahme das Mietverhältnis nicht mehr erhalten werden kann.
Ein konkretes Beispiel wäre, wenn der Vermieter nicht nur fristlos gekündigt hat – eine Kündigung, die durch die Begleichung der Mietschulden geheilt werden kann – sondern auch eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen hat und nicht bereit ist, das Mietverhältnis fortzusetzen.
Zivilrechtliches Agieren bei fristgerechter Kündigung der Wohnung
In einem solchen Fall ist es die Aufgabe des Mieters, des Jobcenters oder des Gerichts, die Wirksamkeit der fristgerechten Kündigung des Vermieters zu prüfen.
Hierbei können zivilrechtliche Klagen, wie besondere Härte für die Mieter (§ 574 Abs. 1 BGB) oder die Verwirkung des Rechts zur ordentlichen Kündigung aufgrund länger zurückliegender Mietunterzahlungen, wichtig sein, um das Mietverhältnis doch noch fortzusetzen.
Gegenteilige Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
In einem aktuellen Fall hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht jedoch eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten.
Trotz der klaren zivilrechtlichen Rechtslage, dass eine fristgerechte Kündigung unter bestimmten Umständen nicht wirksam ist, hat das Gericht in einem Fall entschieden, dass sich die fristgerechte Mietraumkündigung nicht mehr abwenden lasse.
Dies geschah, obwohl die Kündigung auf Mietrückstände aus den Monaten März bis August 2020 zurückging und erst im Dezember 2023 ausgesprochen wurde. Bedauerlicherweise hat sich das Gericht in seiner Entscheidung nicht mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung zur Verwirkung auseinandergesetzt.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung in der Rechtsprechung Bestand haben wird oder ob sie in höheren Instanzen korrigiert wird.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.