Bürgergeld: Jobcenter darf 125 Euro Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige nicht anrechnen

Lesedauer 3 Minuten

Die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe in Höhe von monatlich 125 € ist beim Bürgergeld kein anrechenbares Einkommen ( § 1 Nr. 4 Bürgergeld-V ).

Denn die Nachbarschaftshilfe für Pflegepersonen stellt eine Aufwandsentschädigung dar, welche beim Bürgergeld nicht zu berücksichtigen ist (§ 1 Nr. 4 Bürgergeld-V i.V.m. § 3 Nr. 36 EStG ). Dieses wegweisende Urteil gibt der 8. Senat des Landessozialgerichts Mecklenburg – Vorpommern mit Urteil vom 13.05.2025 – L 8 AS 21/25 – Revision zugelassen – bekannt.

Kurzbegründung des Gerichts

Nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson kein Einkommen beim Bürgergeld

1. Nach § 1 Nr. 4 Bürgergeld-V sind nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigen.

2. Bei der Klägerin handelt es sich auch um eine Pflegeperson, denn bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen handelt es sich um Pflege i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, weil sie pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung erbracht hat, ohne dass es auf den zeitlichen Umfang der Pflege ankommt.

Nachbarschaftshilfe ist keine steuerpflichtige Einnahme

3. Die Aufwandsentschädigung, die die Klägerin als ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin erhalten hat, stellt nach § 3 Nr. 36 EStG – keine steuerpflichtige Einnahme dar.

Weiterleitung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI stellt einen Fall des § 3 Nr. 36 EStG dar

4. Die Weiterleitung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI i.H.v. bis zu 125 € monatlich stellt einen Fall des § 3 Nr. 36 EStG dar. Somit ist auch der Fall der Klägerin hierauf anwendbar, da deren Nachbarin ihren Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI i.H.v. monatlich 125 € gegen ihre Pflegekasse an die Klägerin abgetreten und ihren Entlastungsbetrag an die Klägerin weitergeleitet hat.

Erfüllung einer sittlichen Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG ist hier gegeben

5. Die Erfüllung einer sittlichen Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG kann – regelmäßig bereits dann angenommen werden, wenn die Pflegeperson – unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zu den betreuten Pflegebedürftigen – für nicht mehr als zwei Pflegebedürftige tätig wird.

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Fazit

Orientierungssatz Detlef Brock

Hat eine Bezieherin von Bürgergeld Pflegeleistungen als ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin nach § 45a SGB XI i.V.m. § 2a UntAngLVO M-V und damit als Pflegeperson ausschließlich für ihre pflegebedürftige Nachbarin und damit nicht für mehr als zwei Pflegebedürftige erbracht und hierfür den Entlastungsbetrag i.H.v. monatlich 125 € gemäß § 45b SGB XI erhalten, stellt dies kein anrechenbares Einkommen beim Bürgergeld dar.

§ 1 Nr. 4 der Bürgergeld-Verordnung (Bürgergeld-V) regelt, welche Einnahmen bei der Berechnung des Bürgergeldes nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Genauer gesagt, betrifft dies nicht-steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung.

Hinweis

Seit dem 01. Januar 2025 gibt es nicht nur mehr Pflegegeld, es gibt auch eine höhere Entschädigung für Nachbarschaftshelfer. Statt bisher 125 Euro können Pflegebedürftige nun 131 Euro im Monat der Pflegekasse für die Unterstützung im Alltag durch Nachbarschaftshelfer in Rechnung stellen (§§ 45a und 45b SGB XI).

Anmerkung vom Sozialrechtexperten Detlef Brock

Hier hat das Gericht sehr gut begründet, warum die Auffassung des Jobcenters:

„Auch die Privilegierung der Einnahmen aus Nachbarschaftshilfe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-V scheidet aus, denn werden Pflegeleistungen ehrenamtlich einem Nicht-Angehörigen gegenüber erbracht, bestehe weder steuer- noch sozialleistungsrechtlich eine solche Privilegierung der aufgrund der Pflege erhaltenen Einnahmen.

Bei der sogenannten Nachbarschaftshilfe sei keine sittliche Pflicht der Pflegenden gegenüber dem Gepflegten erkennbar ( so übrigens auch in der Literatur zum Bürgergeld ).

Nach Auffassung des 8. Senats stellt die Nachbarschaftshilfe für Pflegepersonen eine Aufwandsentschädigung dar, welche beim Bürgergeld nicht zu berücksichtigen ist. § 1 Nr. 4 Bürgergeld-V i.V.m. § 3 Nr. 36 EStG.

Das Gericht hat hier allerdings die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.