Bürgergeld-Bezieher, nicht zusammenlebende Ehe- oder Lebenspartner bilden nicht automatisch einen gemeinsamen Haushalt mit Einsparpotenzialen.
Jobcenter dürfen daher die Höhe der Bürgergeld nicht einfach nach der für Paare geltenden niedrigeren Regelbedarfsstufe 2 bestimmen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem veröffentlichten Urteil (Az.: L 12 AS 1372/22).
Zwei Haushalte in unterschiedlichen Städten
Damit steht dem mit einem anderen Mann verpartnerten Kläger Hartz-IV-Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende zu. Sowohl der Kläger als auch sein ebenfalls auf Hilfeleistungen angewiesenen Partner leben in unterschiedlichen Haushalten in zwei Städten.
Da der Kläger eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen hat, hatte das Jobcenter ihm für den Zeitraum 1. September 2019 bis 31. August 2020 Arbeitslosengeld II nur in Höhe der für verheiratete Personen geltenden Regelbedarfsstufe 2 gewährt.
Damit erhielt der Leistungsbeziehende 2019 monatlich 43 Euro und 2020 dann 43 Euro weniger als ein alleinstehender Leistungsbeziehender.
Jobcenter kürzte Leistungen um 10 Prozent
Ohne Erfolg verwies der Kläger auf die zwei bestehenden Haushalte. Er habe mit seinem Partner weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft.
Einsparpotenziale etwa wegen niedriger Kosten für den gemeinsamen Strom- und Internetanschluss gebe es nicht. Die Kürzung des Regelbedarfs komme damit einer Sanktion von rund zehn Prozent gleich.
Das Jobcenter verwies darauf, dass bei Eheleuten und damit auch verpartnerten Paaren von einem Zusammenleben auszugehen sei. Nur wenn ein Paar dauernd getrennt lebe und ein Trennungswille vorhanden sei, komme die Regelbedarfsstufe für Alleinstehende in Betracht.
Der Kläger und sein Partner wollten sich aber nicht trennen. Mittlerweile wurde die gesetzliche Formulierung des „dauernd getrennt leben“ allerdings ersatzlos gestrichen.
Das Sozialgericht Dortmund ging davon aus, dass der Kläger als Alleinstehender anzusehen sei und mit seinem außerhalb lebenden Partner keine Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft bilde. Er habe daher Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach der Regelbedarfsstufe für Alleinstehende.
Dem folgte im Ergebnis auch das LSG. Der Kläger lebe von seinem Partner nicht „dauerhaft getrennt“, da er sich gar nicht trennen wolle. Er habe mit seinem auswärts wohnenden Lebenspartner auch eine Bedarfsgemeinschaft gebildet.
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Dennoch stehen ihm ausnahmsweise Hilfeleistungen für Alleinstehende zu, so das LSG in seinem Urteil vom 26. April 2023. Könnten Eheleute oder eingetragene Lebenspartner wegen zweier unterschiedlicher Haushalte nicht mehr aus einem Topf wirtschaften und damit Einsparmöglichkeiten verwirklichen und liege damit die Bedarfslage eines Alleinstehenden vor, könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die höhere Regelbedarfsstufe 1 begründet sein.
Bundessozialgericht urteilte bereits in einem ähnlichen Fall
So hatte das BSG am 11. Februar 2015 geurteilt, dass Hartz-IV-Leistungen für Alleinstehende auch für einen Ehepartner infrage kommen, wenn der andere Ehegatte im Ausland lebt (Az.: B 4 AS 27/14 R). Gleiches gilt nach einer BSG-Entscheidung vom 16. April 2014, wenn der Ehegatte wegen Pflegebedürftigkeit ins Heim umziehen muss (Az.: B 14 AS 71/12 R)
Wenig Kontakt: Bürgergeld für Alleinstehende
Im konkreten Fall hätten sich die Lebenspartner im Streitzeitraum fast gar nicht gesehen, so dass ein „Wirtschaften aus einem Topf“ nicht möglich war, urteilte das LSG. So sei der Lebenspartner des Klägers wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt worden.
Wegen der Corona-Pandemie seien Reisen und Kontakte nur eingeschränkt möglich gewesen. Der gemeinsame Kontakt sei nur telefonisch erfolgt. In solch einem Fall müsse die Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende gewährt werden. fle/mwo
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