Bürgergeld: Gericht stoppt Rückforderung – Jobcenter muss eigenen Fehler zahlen

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Wenn das Jobcenter zu hohe Leistungen auszahlt, weil es falsch gerechnet hat, dann darf die Behörde den überschüssigen Betrag nur unter bestimmten Umständen zurückfordern. Leistungsberechtigte müssten komplizierte Berechnungen nicht im Detail nachprüfen, sondern können der Sorgfalt der Behörde vertrauen. So entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. (L 3 AS 772/23)

Jobcenter verwechselt Netto und Brutto

Eine dreiköpfige Familie bezog seit 2020 ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Der Mann arbeitete als Lebensmittelverkäufer und erhielt dafür 1.600 Euro netto. Das Jobcenter berechnete jedoch fälschlich die 1.600 Euro als Bruttoeinkommen. Deshalb erhielt die Familie deutlich höhere Leistungen.

Jobcenter fordert die zu hohen Leistungen zurück

Das Jobcenter zahlte die zu hoch berechneten Leistungen zurück. Die Behörde begründete dies mit der Sorgfaltspflicht der Leistungsbezieher. Diese hätten erkennen müssen, dass es einen Fehler gegeben hatte und hätten dies dem Jobcenter melden müssen.

Die Familie sah das nicht ein, und so landete die Angelegenheit vor dem Sozialgericht und schließlich vor dem Landessozialgericht.

Wann darf das Jobcenter zu hohe Leistungen zurückverlangen?

Der Paragraf 45 des zehnten Sozialgesetzbuches ermächtigt Träger von Sozialleistungen, zu hohe Leistungen zurück zu verlangen, wenn diese rechtswidrig ausgezahlt wurden. Diese Regelung gilt allgemein für begünstigende Verwaltungsakte.

Bescheide müssen von Bürgergeld Berechtigten nicht geprüft werden

Diese Ermächtigung fällt aber aus, wenn die Begünstigten Grund hatten, dem Verwaltungsakt zu vertrauen. Mit anderen Worten: Da Bürger grundsätzlich davon ausgehen können, dass bei Behördenabläufen wie Verwaltungsakten alles rechtmäßig zugeht, sind sie nicht in der Pflicht, solche Bescheide noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

Wann ist das Vertrauen ausgeschlossen?

Leistungsberechtigte können sich nicht auf dieses Vertrauen berufen, wenn sie die Behörde arglistig getäuscht oder grob fahrlässig gehandelt haben. Arglistige Täuschung wäre es, wenn Sie beim Beantragen falsche Angaben machen, um Leistungen zu erhalten. Grob fahrlässig wäre es zum Beispiel, wenn Sie unbeabsichtigt Angaben zu Einkommen und Vermögen unterlassen, obwohl diese für das Auszahlen von Leistungen wichtig sind.

Auf Vertrauen berufen kann sich ein Leistungsbezieher auch dann nicht, wenn er die Rechtswidrigkeit eines Bescheides kannte – oder grob fahrlässig nicht erkannte. Diese Frage zu beantworten, war die Aufgabe des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.

Keine grobe Fahrlässigkeit bei Betroffenen

Es ging also darum, ob die Betroffenen die Berechnungsfehler im Bewilligungsbescheid hätten erkennen müssen oder nicht. Grob fahrlässiges Verhalten bedeutet dabei, die Sorgfaltspflicht in besonders hohem Maße zu verletzen.

In diesem Fall war die Ehefrau für die entsprechende Kommunikation mit der Behörde zuständig. Sie gab an, dass sie Probleme hätte, Netto und Brutto zu unterscheiden. Sie habe die 1.600 Euro Berechnungsgrundlage zwar gesehen, aber diese für richtig gehalten. Das Gericht entschied, ihr sei nicht zuzumuten, komplexe Berechnungen der Jobcenter auf jegliche Fehler zu untersuchen.

Grobe Fahrlässigkeit schied für das Gericht aus. Im Gegenteil habe die Betroffene sich den Bescheid genau durchgelesen. Mehr hätte das Jobcenter nicht zu erwarten. Die Familie hätte auf eine korrekte Berechnung des Jobcenters vertrauen dürfen. Der Fehler gehe zulasten der Behörde.

Fazit: Eine Dreistigkeit des Jobcenters

Gut ist es, dass das Gericht der Dreistigkeit des Jobcenters in diesem Fall einen Riegel vorgeschoben hat. Die Frage stellt sich: Wie unverschämt kann eine Behörde überhaupt sein? Die eigenen Mitarbeiter können Brutto und Netto nicht unterscheiden, verlangen es aber von den Leistungsberechtigten.

Die Gehaltsabrechnungen der ehrlichen Leistungsberechtigten lagen der Behörde vor. Ein Mitarbeiter des Jobcenters machte einen Fehler. Dafür sollten dann die Leistungsberechtigten büßen, obwohl sie ihrer Pflicht nachgekommen waren.

Bürgergeld-Berechtigte sind aber keine Mathelehrer, die die Rechnungen der Jobcenter korrigieren, und sie sind erst recht nicht der Sündenbock für Schlampereien und fehlende Qualifikation der Mitarbeiter.