In einer wichtigen Entscheidung hat das Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen (LSG) festgestellt, dass Betroffene, die aus beruflichen Gründen auf ihr Auto angewiesen sind und sich in einer finanziell prekären Situation befinden, Anspruch auf Unterstützung beim Autokauf durch das Jobcenter haben.
Alleinstehende Mutter benötigt Auto für die Arbeit
Diese Regelung betrifft vor allem Aufstocker, die trotz Erwerbstätigkeit zusätzlich auf Leistungen des Bürgergeldes angewiesen sind. Das jüngste Gerichtsurteil macht deutlich, dass es auf die individuellen Umstände ankommt, berichtet die Anwaltskanzlei “Rightmart”.
In dem verhandelten Fall ging es um eine alleinerziehende Mutter, die als Pflegehelferin arbeitet und trotzdem auf ergänzende Bürgergeldleistungen des Jobcenters angewiesen ist.
Da sie in ihrem Beruf regelmäßig auf ein Auto angewiesen ist, geriet sie in Schwierigkeiten, als ihr Fahrzeug im März 2015 den Geist aufgab. Aufgrund der hohen Reparaturkosten entschloss sie sich, ein neues Auto zu kaufen und beantragte dafür ein Darlehen bei ihrem Jobcenter.
Missverständnis fürhrte zum Kauf des Autos
Ein Missverständnis bei einem Telefonat mit ihrer Sachbearbeiterin führte jedoch zu einer vermeintlichen Zusage des Darlehens. Daraufhin kaufte die Mutter das Fahrzeug in Erwartung der finanziellen Unterstützung.
Später jedoch lehnte das Jobcenter den Darlehensantrag aus verschiedenen Gründen ab, unter anderem wegen der angeblich hohen Fahrzeugkosten und der Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren.
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Auto-Darlehen sei eine freie Leistung
Die Richter betonten, dass der Autokauf in diesem Fall als so genannte “freie Leistung” nach § 16f des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) anzusehen sei. Diese Leistung dient der Vermeidung, Verkürzung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit.
Die Klägerin konnte dem Landessozialgericht anhand von Stundenzetteln und Aussagen ihres Arbeitgebers überzeugend darlegen, dass das Auto für ihre Arbeitsaufgaben unerlässlich ist. Die Notwendigkeit eines eigenen Fahrzeugs ergebe sich aus den unterschiedlichen Arbeitszeiten und Einsatzorten, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, insbesondere in ländlichen Gebieten und nachts, nicht ausreichend abgedeckt werden könnten.
Die Entscheidung des Gerichts widerlegt auch die Behauptung des Jobcenters, die finanzielle Situation der Klägerin sei nicht so gravierend, dass eine Unterstützung notwendig sei, da sie den Kauf des Autos bereits selbst finanziert habe.
Das Gericht stellte fest, dass der Kaufpreis des Fahrzeugs noch nicht vollständig bezahlt war, da das alte Fahrzeug als Anzahlung verwendet wurde und der Autohändler noch ausstehende Zahlungen erwartete.
Mögliche Arbeitslosigkeit ohne PKW
Die besondere Situation der Klägerin und die Notwendigkeit des Autos für ihre berufliche Tätigkeit veranlassten das Gericht zu einer klaren Handlungsanweisung an die Jobcenter.
Normalerweise stehen “freie Leistungen” wie diese im Ermessen der Jobcenter und können abgelehnt werden. Wenn jedoch besondere Umstände vorliegen, die eine Ablehnung als grob unbillig und rechtswidrig erscheinen lassen, entfällt der Ermessensspielraum der Jobcenter. In diesem Fall haben die Richter klar gemacht, dass die Unterstützung beim Autokauf unumgänglich ist.
Der Fall zeigt, dass es sich lohnen kann, Widerspruch gegen Entscheidungen der Jobcenter einzulegen, insbesondere wenn es um so genannte Kann-Leistungen geht. Oft werden die Anträge nur oberflächlich geprüft, was die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Klage deutlich erhöhen kann. (Az.: L 11 AS 676/15 B ER)
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.