Bürgergeld: Das Jobcenter darf Kindern, die zeitweise im Internat wohnen, nicht das Sozialgeld kürzen

Minderjährige Zwillinge, die zeitweise in einem Internat der Förderschule wohnen, haben Anspruch auf Sozialgeld in ungekürzter Höhe
Das Jobcenter darf minderjährigen Kindern, welche zeitweise im Internat wohnen, nicht das Sozialgeld kürzen, denn sie bilden mit ihren Eltern – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft.

Eine abweichende Festlegung der Bedarfe gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist auch mangels entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ausgeschlossen.

Das gibt das Landessozialgericht Sachsen mit 2 Hammer Urteilen bekannt.

Kurzbegründung und Sachverhalt

Sie bilden mit ihren Eltern auch – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft, denn mit dem Rechtsinstitut der temporären Bedarfsgemeinschaft soll ein zusätzlicher Bedarf gedeckt werden, weshalb dieses Rechtsinstitut nicht leistungseinschränkend angewandt werden kann.

Der personelle Bezugspunkt des Rechtsinstituts der temporären Bedarfsgemeinschaft, der Aufenthalt des Kindes bei einem Elternteil, fehlt für die Zeiten der Internatsunterbringung.

Minderjährige Kinder ( hier Zwillinge ), die zeitweise in einem Internat wohnen, werden wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechtes als Teil der elterlichen Personensorge für minderjährige Kinder dem Haushalt der Eltern zugerechnet.

LSG Sachsen bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur temporären Bedarfsgemeinschaft

Dabei betont das Sächsische Landessozialgericht ( LSG Sachsen), dass das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung das Institut der temporären Bedarfsgemeinschaft nicht angewandt hat, wenn sich ein Kind für bestimmte Zeiten in einem Internat aufgehalten hat.

Das Bundessozialgericht hat lediglich bei volljährigen Kindern geprüft, ob das Kind dem Haushalt der Eltern angehört. Anspruchs- oder bedarfsmindernd hat es in keinem Falle Leistungen anderer Sozialleistungsträger, die im Zusammenhang mit der internatsmäßigen Unterbringung der Kinder standen, berücksichtigt.

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Die Zwillinge haben durchgehend dem Haushalt ihrer Mutter angehört

Dem stehe auch – nicht entgegen, dass sie sich tageweise während des Besuchs der Fördererschule in internatsmäßiger Unterbringung befunden hätten. Denn das Internat habe lediglich der Ermöglichung des Schulbesuches gedient, nicht aber die Funktion des elterlichen Haushalts übernommen.

Eine nur temporäre Bedarfsgemeinschaft habe nicht vorgelegen, weil es nur einen Haushalt, nämlich den in der Familienwohnung gegeben habe.

Für eine Ausweitung des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts der temporären Bedarfsgemeinschaft auch auf Fallkonstellationen mit einem nicht umgangsbedingten Aufenthaltswechsel eines Kindes bestehe kein Anlass.

Eine abweichende Festlegung der Bedarfe gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist mangels entsprechender ausdrücklicher gesetzliche Regelung ausgeschlossen, so ausdrücklich die Richter.

Rechtstipp mit anderer Auffassung:

Bei minderjährigen Kindern, die im Internat untergebracht gewesen seien und sich nur zeitweise im Elternhaus aufhielten, sei bereits mehrfach das Vorliegen einer temporären Bedarfsgemeinschaft angenommen worden (z. B. Bay. LSG – L 7 BK 5/12 – oder SG Karlsruhe – Az. S 16 AS 1115/08).

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

1. Diese Rechtsprechung ist eindeutig zu begrüßen, auch wenn sie schon zu Zeiten von Hartz IV sehr umstritten war. Aber das Landessozialgericht bestätigt meine schon zu Hartz IV vertretende Auffassung mit Hinweis auf das SG Chemnitz.

2. So urteilte ein Gericht schon zu Hartz IV Zeiten, dass auch während des Aufenthaltes in einem Heim der Sohn Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seiner Mutter ist und – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorliege ( so ausdrücklich SG Chemnitz, Urteil vom 27.02.2013 – S 14 AS 112/12 – ; ebenso bei Internatsunterbringung unter der Woche – SG Kiel, Urt. v.19.09.2013 – S 31 AS 1261/11; anderer Auffassung SG Potsdam, Urteil vom 18.04.2012, Az. S 35 AS 3511/09 ).

3. Grundvoraussetzung für eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und Kind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein gemeinsamer Haushalt. Ein Haushalt stellt sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (vgl nur BSG vom 14.3.2012 – B 14 AS 17/11 R -).