Gleiche Krankheit mit Unterbrechung und wieder Krankengeld

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Wer lรคnger krank ist, steht schnell vor einer juristischen Detailfrage: Was passiert mit dem Krankengeld, wenn dieselbe Erkrankung zwischendurch unterbrochen scheint โ€“ etwa durch eine Phase der Arbeitsfรคhigkeit, Entgeltfortzahlung oder den Bezug anderer Leistungen?

Gleiche Krankheit mit Unterbrechung: Wie lange gibt es Krankengeld โ€“ und wann beginnt der Anspruch neu?

Die Antwort hรคngt an zentralen Begriffen wie โ€ždieselbe Krankheitโ€œ, Blockfristen und der Sechs-Monats-Regel. Dieser Beitrag ordnet die Regeln verstรคndlich ein und zeigt, worauf es in der Praxis ankommt.

Grundprinzip: 78 Wochen pro Erkrankung innerhalb von drei Jahren

Fรผr dieselbe Krankheit ist der Anspruch auf Krankengeld grundsรคtzlich auf hรถchstens 78 Wochen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums begrenzt. Diese Frist lรคuft ab dem ersten Tag der Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit. Tritt wรคhrend der bestehenden Arbeitsunfรคhigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlรคngert das die Bezugsdauer nicht. Rechtsgrundlage ist ยง 48 SGB V.

In der Praxis wird oft von โ€ž72 Wochen Krankengeldโ€œ gesprochen. Der Hintergrund: Die ersten sechs Wochen รผbernimmt regelmรครŸig der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung; diese Zeit wird auf die 78 Wochen angerechnet, sodass die Kasse typischerweise noch rund 72 Wochen Krankengeld auszahlt.

Blockfristen: Wie Unterbrechungen gezรคhlt werden

Die Dreijahresbetrachtung erfolgt รผber sogenannte Blockfristen. Mit der erstmaligen Arbeitsunfรคhigkeit wegen derselben Krankheit beginnt eine Kette aufeinanderfolgender Drei-Jahres-Blรถcke.

Alle Zeiten der Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit innerhalb der jeweiligen Blockfrist werden zusammengerechnet โ€“ auch wenn zwischenzeitlich gearbeitet wurde oder eine AU-Phase endet und spรคter wieder beginnt. Eine bloรŸe Unterbrechung โ€žsetzt die Uhrโ€œ nicht automatisch zurรผck.

Wichtig ist zudem ยง 48 Abs. 3 SGB V: Zeiten, in denen der Krankengeldanspruch ruht oder das Krankengeld versagt wurde, werden wie Bezugszeiten mitgezรคhlt.

Das betrifft insbesondere Phasen mit Entgeltfortzahlung, รœbergangsgeld oder Arbeitslosengeld โ€“ sie fallen unter die Ruhensregel des ยง 49 SGB V und โ€žverbrauchenโ€œ somit Tage innerhalb der 78-Wochen-Grenze.

โ€žDieselbe Krankheitโ€œ: Nicht der ICD-Code entscheidet, sondern das einheitliche Krankheitsgeschehen

Ob Unterbrechungen zusammenzurechnen sind, hรคngt daran, ob medizinisch-rechtlich weiterhin โ€ždieselbeโ€œ Krankheit vorliegt. MaรŸgeblich ist ein einheitliches Krankheitsgeschehen mit innerem Zusammenhang; reine Diagnoseschlรผssel sind dafรผr nicht allein ausschlaggebend.

Das Bundessozialgericht und anerkannte Kommentare stellen auf den ursรคchlichen Zusammenhang ab, der auch mit Zwischenphasen ohne Beschwerden fortbestehen kann.

Tritt wรคhrend der Arbeitsunfรคhigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlรคngert dies โ€“ wie erwรคhnt โ€“ die 78-Wochen-Grenze nicht. Kommt es spรคter erneut allein wegen der frรผher hinzugetretenen Krankheit zur Arbeitsunfรคhigkeit, werden die damaligen Zeiten als Vorerkrankungszeit angerechnet; die Kassen konkretisieren das mit Beispielen im gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbรคnde.

Unterbrechung durch Arbeit, Entgeltfortzahlung oder andere Leistungen

Viele Betroffene meinen, eine Phase der Arbeitsfรคhigkeit โ€žpausiereโ€œ den Zรคhler. Tatsรคchlich zรคhlen in der Blockfrist alle AU-Zeiten wegen derselben Krankheit zusammen; ob dazwischen kurz gearbeitet wurde, รคndert nichts an der Hรถchstdauer. Zeiten, in denen der Anspruch ruht โ€“ etwa Entgeltfortzahlung, รœbergangsgeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld โ€“ werden gesetzlich wie Krankengeldzeiten mitgerechnet. Das fรผhrt dazu, dass eine lรคngere Krankheitsgeschichte auch ohne lรผckenlosen Krankengeldbezug die 78-Wochen-Grenze erreichen kann.

Unterbrechung durch Bescheinigungs-Lรผcken: Was gilt seit der eAU?

Grundsรคtzlich muss die Arbeitsunfรคhigkeit fรผr den jeweiligen Zeitraum รคrztlich festgestellt sein. Seit 2021 รผbermitteln Vertragsรคrzte die AU elektronisch an die Krankenkassen (eAU).

Wichtige Entlastung: Nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darf die Krankenkasse den Anspruch nicht allein deshalb verneinen, weil die elektronische Meldung verspรคtet eingegangen ist oder die รœbermittlung aus Grรผnden scheiterte, die nicht beim Versicherten liegen. Die Meldeobliegenheit der Versicherten ist hier weitgehend entfallen.

Neustart trotz gleicher Krankheit: Die Sechs-Monats-Regel

Ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit entsteht nach Erreichen der 78 Wochen erst wieder, wenn in der Zwischenzeit bestimmte Voraussetzungen erfรผllt sind. ยง 48 Abs. 2 SGB V verlangt, dass die versicherte Person bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfรคhigkeit wieder mit Krankengeldanspruch versichert ist und mindestens sechs Monate lang wegen dieser Krankheit nicht arbeitsunfรคhig war, wรคhrend sie in diesem Zeitraum erwerbstรคtig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfรผgung stand.

Das Gesetz verlangt keine ausdrรผckliche โ€žam-Stรผckโ€œ-Formulierung; in der Beratungspraxis wird nicht auf eine ununterbrochene Sechs-Monats-Kette bestanden, entscheidend ist die Erfรผllung beider Merkmale im Umfang von insgesamt sechs Monaten.

Praxisbeispiel: Lรคngere Rรผckenbeschwerden mit Pausen

Eine Arbeitnehmerin ist wegen Bandscheibenbeschwerden sechs Wochen arbeitsunfรคhig und erhรคlt Entgeltfortzahlung. Danach bezieht sie mehrere Monate Krankengeld. Sie wird wieder arbeitsfรคhig, arbeitet drei Monate und fรคllt dann wegen derselben Rรผckenproblematik erneut aus.

Obwohl eine Phase der Arbeitsfรคhigkeit dazwischenlag, lรคuft die ursprรผngliche Blockfrist weiter. Die ersten sechs Wochen des ersten Ausfalls sind bereits auf die 78 Wochen angerechnet, die folgenden Krankengeldzeitrรคume addieren sich.

Ein echter โ€žNeustartโ€œ fรผr dieselbe Krankheit wรคre erst mรถglich, wenn nach Aussteuerung mindestens sechs Monate ohne AU wegen dieser Krankheit vergingen und in dieser Zeit Erwerbstรคtigkeit oder Arbeitsverfรผgbarkeit bestand.

Mehrere Diagnosen: Wenn eine andere Krankheit spรคter allein Arbeitsunfรคhigkeit auslรถst

Kommt zu einer bestehenden Arbeitsunfรคhigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlรคngert das die Hรถchstdauer nicht. Lรถst die zweite Krankheit spรคter allein die Arbeitsunfรคhigkeit aus, wird bei der Beurteilung der Vorerkrankungszeiten differenziert: Zeiten, in denen beide Krankheiten zusammen oder abwechselnd zur AU fรผhrten, kรถnnen auf die jeweilige Blockfrist angerechnet werden. Die Spitzenverbรคnde der Krankenkassen haben hierfรผr detaillierte Fallkonstellationen verรถffentlicht, an denen sich die Kassen orientieren.

Fazit: Unterbrechungen รคndern selten die Bezugsgrenze โ€“ entscheidend sind Blockfrist und Status

Unterbrechungen im Verlauf โ€“ ob durch Arbeit, Entgeltfortzahlung, andere Leistungen oder technische Meldeprobleme โ€“ รคndern an der 78-Wochen-Grenze fรผr dieselbe Krankheit in der aktuellen Blockfrist meist nichts. Zentrale Stellschrauben sind die Einordnung als โ€ždieselbe Krankheitโ€œ, die Anrechnung ruhender Zeiten sowie โ€“ nach Aussteuerung โ€“ die strengen Voraussetzungen des ยง 48 Abs. 2 SGB V fรผr einen Neuanspruch.

Wer seinen Fall rechtssicher prรผfen mรถchte, sollte Belege zu allen AU-Zeiten, Beschรคftigungs- und Leistungsphasen sammeln und die konkrete Krankengeschichte gegenรผber der Kasse sauber dokumentieren. Die gesetzlichen Leitplanken liefern ยง 48 und ยง 49 SGB V sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung und Verwaltungspraxis.

Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall. Bei Grenzfรคllen lohnt eine individuelle Prรผfung โ€“ etwa zur Frage, ob tatsรคchlich โ€ždieselbe Krankheitโ€œ vorliegt oder ob Zeiten korrekt angerechnet wurden.