Bei fehlender Mitwirkung des Leistungsbeziehers darf und kann das Jobcenter bei Vorliegen der Voraussetzungen das Bürgergeld ganz versagen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
Dies hat der Gesetzgeber zugelassen, wenn der Antragsteller vor allem – nur rudimentär – ( unvollständig ) Unterlagen zum Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit dem Jobcenter vorlegt und nach mehrmaliger Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen zur Feststellung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 – nicht nachkommt.
Der Antragsteller verkennt offensichtlich nach wie vor den Charakter der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als nachrangige Sicherung des Existenzminimums aus Steuermitteln, deren Gewährung die Feststellung des konkreten Hilfebedarfs voraussetzt.
Durch sein Verhalten hat der Antragsteller – selbst dazu beigetragen, bestehende Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung der beantragten Leistungen zu nähren, statt sie zu zerstreuen.
Das Jobcenter habe von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Versagung nach § 66 SGB I ordnungsgemäß Gebrauch gemacht, so der 13.Senat des LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 24.09.2024 – L 13 AS 1449/22 -.
Auch das Vorbringen des Antragstellers, er habe bis zum 31.Dezember 2020 Leistungen erhalten, genügt insoweit nicht, weswegen vorliegend nicht aus Gründen der Prozessökonomie auf die Durchführung eines vorgehenden Verwaltungsverfahrens zur Klärung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen verzichtet werden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R -).
Fazit:
Bei erneuter Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II/ Bürgergeld muss der Antragsteller die vom Jobcenter geforderten Unterlagen, wie etwa ein ausgefüllter Hauptantrag, die Anlage Kinder unter 15 Jahren, Anlage Einkommen, Anlage KdU und Kontoauszüge vorlegen.
Empfänger von Bürgergeld können sich nicht darauf berufen, sie müssen diese Unterlagen – nicht vorlegen, weil sie ja schon einmal Bürgergeld bezogen haben.
Praxistipp
Jobcenter dürfen von Bürgergeld-Empfängern nichts Unmögliches abverlangen – Grenzen der Mitwirkungspflicht
Wenn von einer Bürgergeld-Leistungsempfängerin vom Jobcenter etwas subjektiv Unmögliches verlangt wird, so ist eine Mitwirkungsobliegenheit zu verneinen ( zum Beispiel 1. im Falle der Vorlage der Nebenkostenabrechnung, welche der Vater seiner Tochter aber nicht aushändigte oder 2. das Jobcenter Unterlagen eines Dritten vom Antragsteller fordert).
Persönliche Anmerkung
Versagungsbescheide des Jobcenters – hier 100% Entzug des Bürgergeldes für alle Bedarfsgemeinschaftsmitglieder haben einen bitteren Beigeschmack – denn sie gleichen einer 100% Sanktion!!!
Aber Rechtsprechung und Literatur zum Bürgergeld verbieten aber gerade so einen – Sanktionscharakter.
„Obwohl die Versagung von Leistungen keinen Sanktionscharakter haben soll (Mrozynski, Kommentar zum SGB I, 6. Aufl. § 66 Rn. 1 m.w.N.), weil es vielmehr im Kern um die Klärung des Leistungsanspruchs geht (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I)“
Zum Beispiel fragte sich das LSG BB, ob ein dauerhafter Leistungsentziehung für die Zukunft nicht Sanktionswirkung beikommt ( LSG BB, Beschluss v. 16.06.2022 – L 29 AS 520/22 B ER – )
Werden für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die Leistungen vom Jobcenter entzogen, ist das nach meiner Meinung eine 100% Sanktion!
Lesetipp
Totalsanktionierung beim Bürgergeld sollte der Ausnahmefall sein.
Bürgergeld: Entziehungsbescheide des Jobcenters sind fast immer rechtswidrig
Rechtstipp für alle Bürgergeldbezieher
Auch während des Verfahrens zur Überprüfung nach §§ 40 SGB II, 44 SGB X eines bestandskräftigen Versagungsbescheides wegen fehlender Mitwirkung kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht in Betracht, mit der das Jobcenter zur vorläufigen Leistung von Bürgergeld verpflichtet wird, sofern der Überprüfungsantrag – offenkundige Erfolgsaussichten hat ( Sächsisches LSG – L 8 AS 1422/19 B ER – ).