Bist Du Schöffe, reduziert sich das Bürgergeld

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LSG Niedersachsen-Bremen: Bürgergeld-Bezieher müssen Schöffenbezüge dem Jobcenter melden

Eine Verdienstausfallentschädigung aus der Schöffentätigkeit ist anrechenbares Einkommen beim Bürgergeld. Sie sind nicht als zweckbestimmte Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften i. S. d. § 11a Abs. 3 SGB II und damit nicht als anrechnungsfreies Einkommen zu qualifizieren, so das LSG Niedersachsen -Bremen, Urteil vom 29.08.2024 – L 11 AS 75/21 – .

Denn mit einer Verdienstausfallentschädigung wird kein anderer Zweck als der der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 93/10 R – ).

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf es, ob das Einkommen um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II oder um den erhöhten Grundfreibetrag – Ehrenamtsfreibetrag – ( nach § 11 b Abs. 2 Satz 3 SGB II ,in der hier anzuwendenden vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung ) zu bereinigen war

Denn der erhöhte Grundfreibetrag ist maßgeblich, wenn eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhält, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei sind.

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut sei kein Jahresfreibetrag, sondern ein Monatsfreibetrag von 200,00 Euro zu berücksichtigen.

Nach Auffassung der Richter des LSG Niedersachsen- Bremen war der Berechnung vorliegend nicht ein Jahresgesamtfreibetrag in Höhe von 2.400,00 Euro zugrunde zu legen, so aber der Leistungsempfänger. Dass hier von einem monatlichen Freibetrag auszugehen war, wird auch durch die Rechtsentwicklung bestätigt.

Erst 2023 sei mit dem Bürgergeldgesetz eine Neuausrichtung auf das Jahresprinzip erfolgt

Denn erst mit dem Wegfall des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II und der mit Wirkung vom 1. Juli 2023 durch das Bürgergeld-Gesetz vom 16. Dezember 2022 erfolgten Überführung der Privilegierung von ehrenamtlichen bzw. nebenberuflichen Einkünften in § 11a Abs. 1 Nr. 5 SGB II ist eine Neuausrichtung vom Monats- auf das Jahresprinzip und vom Freibetragsprinzip auf eine Einkommensprivilegierung erfolgt (vgl. dazu Schmidt/Lange in: Luik/Harich, SGB II, 6. Auflage 2024, § 11a Rn. 12c).

Kein Vertrauensschutz für den Leistungsempfänger, denn Bürgergeld- Empfänger sind nicht von der obliegenden Anzeige- und Mitteilungspflicht nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch SGB I befreit

Der Leistungsbezieher konnte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er dem Beklagten die Ausübung der Tätigkeit als Schöffe bzw. den damit verbundenen Bezug von Entschädigungen für Verdienstausfall nicht angezeigt hat.

Anmerkung Detlef Brock

Beim Bürgergeld gilt ab 2023: § 11a Abs. 1 Nr. 5 SGB II

Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten.

Seit dem 01.07.2023 ist beim Bürgergeld nur der jährliche Freibetrag entscheidend, so dass monatlich auch höhere Beträge ausgezahlt werden können, so lange in Summe die 3.000 Euro jährlich nicht überschritten werden.

Was gibt es alles? Beispiele für ehrenamtliche Tätigkeiten

Die Liste für ehrenamtliche Tätigkeiten ist lang. Beispiele wären unter anderem die folgenden:

  • Schöffen (ehrenamtliche Richter)
  • Mitarbeiter in religiösen Gemeinden (Mitgestaltung des Gottesdienstes,
  • Organisation und Begleitung von freiwilligen Unternehmungen)
  • Hilfsorganisationen (Organisation von Lehrgängen, Hilfe bei Blutspendeaktionen)
  • Feuerwehr (Ausbildung als Lösch- und Rettungskraft)
  • Ehrenamt bei der Polizei
  • Trainer oder Betreuer für Sportvereine
  • Sozial- und Jugendarbeiter

Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit nach § 3 Nummer 12, 26 o- der 26a EStG bis zu 3.000,00 Euro kalenderjährlich Steuerfreie Einnahmen oder Bezüge können Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit sein.

Mit der Einführung des Bürgergeldes sind solche Einnahmen ab dem 01.07.2023 unter bestimmten Voraussetzungen als privilegiertes Einkommen nach § 11a Absatz 1 Nummer 5 zu behandeln. Einnahmen aus Tätigkeiten nach § 3 Nummer 12, 26 und/oder 26a EStG sind nach § 11a Absatz 1 Nummer 5 bis zu einem Betrag von 3000,00 Euro kalenderjährlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Unter der Übungsleiterpauschale versteht man dabei eine Vergünstigung nach § 3 Nummer 26 Einkommensteuergesetzes (EStG). Nebenberufliche Einkünfte sind bis zu einer Höhe von jährlich 3.000,00 Euro steuerfrei, wenn eine (nebenberufliche) Tätigkeit für eine gemeinnützige Organisation oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts vorliegt.

Als nebenberuflich gilt eine Tätigkeit, wenn die Arbeitszeit nicht mehr als ein Drittel einer vergleichbaren Vollzeitstelle beträgt, das heißt maximal 13 Stunden pro Woche. Für die Nebenberufliche Tätigkeit ist das Vorliegen eines – Hauptberufes – ohne Belang (auch Rentner oder Studenten kommen also in Frage), die Nebentätigkeit muss sich aber vom ausgeübten Hauptberuf unterscheiden.

Nicht von § 3 Nummer 26 EStG (Übungsleiter/in) erfasste ehrenamtliche nebenberufliche Tätigkeiten bei einer gemeinnützigen Einrichtung/Verein oder bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sind als nebenberufliche Tätigkeit nach § 3 Nummer 26a EStG bis zur Höhe von 840,00 Euro jährlich steuerbefreit. Zu diesen Tätigkeiten gehören z. B. Vereinsvorstände, Vereinskassierer, Platz- und Gerätewarte.

Auch Bezüge, die nach § 3 Nummer 12 EStG steuerfrei sind („aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden“) sind nach § 11a Absatz 1 Nummer 5 privilegiert.

Sofern einzelne Bestandteile der Aufwandsentschädigungen zusätzlich auch nach § 11b Absatz 3 Satz 1 privilegiert sind, muss die
Höhe des nicht zu berücksichtigenden Einkommens in zwei Prüfschritten festgestellt werden.

Beispiel:

Eine Bezirksabgeordnete aus X-Stadt bezieht eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (§ 3 Nummer 12 EStG).
Diese setzt sich wie folgt zusammen:

  1. 295,00 Euro Grundentschädigung mtl.
  2. 31,00 Euro Sitzungsgeld für jede Plenarsitzung
  3. 20,00 Euro Sitzungsgeld für jede Ausschusssitzung
  4. 41,00 Euro Fahrtkosten mtl.

Schritt 1:

Die Bestandteile für den tatsächlichen Aufwand, die nicht dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II dienen, sind nach § 11a Absatz 3 zu privilegieren.

Dazu können je nach (landesrechtlicher) Regelung zählen:

31,00 Euro Sitzungsgeld für jede Plenarsitzung
20,00 Euro Sitzungsgeld für jede Ausschusssitzung
41,00 Euro Fahrtkosten mtl.
Nach Abzug der privilegierten Bestandteile verbleiben 295,00 Euro.

Schritt 2:

Das verbleibende nicht nach § 11a Absatz 3 privilegierte Einkommen ist bis zu einem Betrag von 3000,00 Euro kalenderjährlich nach § 11a Absatz 1 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Quelle: Fachliche Weisungen BA zu § 11-11b SGB II