Bei Pflegebetrug Sozialhilfe gekürzt

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SG Berlin: Sozialhilfe darf erhaltene Gelder als Einkommen anrechnen
Wenn sich pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger am Pflegebetrug beteiligt haben, müssen sie hierfür erhaltene Gelder abgeben. Die Sozialhilfe kann die Zahlungen als Einkommen anrechnen und ihre Leistungen rückwirkend entsprechend kürzen, wie das Sozialgericht (SG) Berlin in einem am Mittwoch, 2. November 2016, bekanntgegebenen Beschluss vom 26. Oktober 2016 entschied (Az.: S 145 SO 1411/16 ER).

Seit Monaten, teils seit Jahren laufen in Deutschland umfangreiche Ermittlungen gegen betrügerische Pflegedienste. Diese rechnen Leistungen ab, die sie gar nicht erbracht haben. Dabei sind sie auf Pflegebedürftige angewiesen, die diese nicht erbrachten Leistungen quittieren. Allein der so vom Berliner Pflegedienst „Mit Herz und Seele GmbH“ verursachte Schaden soll nur für die Sozialhilfe 6,8 Millionen Euro betragen.

In dem nun vom SG Berlin im Eilverfahren entschiedenen Fall geht es um eine 1949 geborene Frau. Sie erhält seit Jahren Leistungen der Alters-Grundsicherung vom Sozialamt Steglitz-Zehlendorf. Zugleich war sie angebliche Patientin des Pflegedienstes „Mit Herz und Seele GmbH“.

Im Zuge der Ermittlungen gegen diesen Pflegedienst flog auf, dass die Frau von November 2014 bis Februar 2015 jeweils 245 bis 336 Euro für ihre Unterschrift unter nicht erbrachte Pflegeleistungen erhalten hatte.

Im August 2016 hob das Sozialamt seine Leistungsbescheide für diese Monate auf und rechnete die sogenannten Kick-Back-Zahlungen als Einkommen an. Insgesamt 1.125 Euro müsse die Frau zurückzahlen. Diese Forderung verrechnet das Sozialamt seitdem in Höhe von 73 Euro monatlich mit den laufenden Leistungen.

Dagegen klagte die Frau. Mit einem Eilantrag wollte sie zudem die sofortige Verrechnung und Kürzung ihrer laufenden Leistungen stoppen. Sie habe kein Geld von dem Pflegedienst erhalten und habe an der Redlichkeit des Dienstes auch nie gezweifelt. Auch alle Unterschriften habe sie „im vollen Vertrauen in den Pflegedienst geleistet“. Das SG Berlin wies nun zunächst den Eilantrag ab. Die Verrechnung sei „offensichtlich rechtmäßig“.

Laut den von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Kassenbüchern des Pflegedienstes habe die Frau über mehrere Jahre insgesamt sogar Zahlungen in Höhe von 12.064 Euro erhalten. An der Richtigkeit dieser Kassenbücher bestünden keine Zweifel. Demgegenüber sei die Argumentation der Frau „in keiner Weise nachvollziehbar“. Sie habe eine tägliche Pflege unterschrieben, obwohl sie gar nicht gepflegt worden sei.

An dem sofortigen Vollzug der Rückzahlung bestehe „ein überwiegendes öffentliches Interesse“. Das Verhalten der beteiligten Leistungsempfänger müsse „zur Vermeidung von Wiederholungsfällen unmittelbare Konsequenzen haben“, betonten die Berliner Richter.

Nach Angaben des Sozialgerichts entspricht dieser Beschluss der Auffassung fast aller zuständigen Kammern des SG Berlin. Lediglich die 146. Kammer habe die Auffassung vertreten, die Sozialhilfe könne nicht mit „Gewinnen aus kriminellen Handlungen“ aufrechnen (Beschluss vom 21. Oktober 2016, Az.: S 146 SO 1487/16 ER). mwo/fle

Bild: Yingko -fotolia

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