Gehörlose Menschen müssen sich nicht nur aus besonderem Anlass mithilfe einer Gebärdensprachdolmetscherin verständigen können. Vielmehr können sie auch im Alltag im „angemessenen Umfang“ auf die Dolmetscherdienste zurückgreifen können, etwa bei einer Museumsführung, Vorsprachen bei Banken oder Gesprächen mit Ärztinnen und Ärzten anlässlich der Erkrankung der Mutter, entschied das Sozialgericht Berlin in einem am Dienstag, 9. Dezember 2025, bekanntgegebenen Urteil (Az.: S 195 SO 3156/23).
Was wurde verhandelt?
Die berufstätige Klägerin aus Charlottenburg-Wilmersdorf ist gehörlos. Im April 2023 machte sie beim Sozialamt Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung geltend. Sie wollte die Kosten für Gebärdensprachdolmetscherdienste erstattet bekommen. Sie benötige diese nicht nur bei Arztbesuchen oder Behördengängen.
Auch bei Museumsführungen, bei einer Beratung des Mietervereins oder auch bei Telefonaten und Gesprächen mit dem Krankenhaus anlässlich der Erkrankung ihrer Mutter seien die Dolmetscherdienste als Teilhabeleistung erforderlich.
Das Sozialamt lehnte den Antrag ab. Leistungen zur Förderung der Verständigung könnten nur „aus besonderem Anlass“ erbracht werden.
So sehe Paragraf 82 des Sozialgesetzbuches IX ausdrücklich für hör- und sprachbehinderte Menschen Hilfen durch Gebärdendolmetscher vor, um Berechtigten „die Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass zu ermöglichen“.
Gehörlosen steht Gebärdensprachdolmetscher als Alltagshilfe zu
Das Sozialgericht urteilte am 17. Oktober 2025, dass die Klägerin Anspruch auf die Übernahme der Gebärdensprachdolmetscherdienste in „angemessenen Umfang“ hat, konkret in Höhe von acht Stunden monatlich.
Die Teilhabeleistungen müssen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur „bei besonderen Anlässen“, sondern auch bei Erledigungen des Alltags wie Museumsbesuche oder auch Beratungsgespräche mit der Bank gewährt werden.
Sozialgericht Berlin: Sozialhilfe muss Anspruch auf Teilhabe sichern
Zwar sehe Paragraf 82 des Sozialgesetzbuches IX Hilfen durch Gebärdensprachdolmetscher vor, um die Berechtigten die Verständigung mit der Umwelt „aus besonderem Anlass“ zu ermöglichen. Parallel dazu gebe es aber auch einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags. Dies beinhalte nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Verständigung mit der Umwelt „bei allgemeinen Erledigungen des Alltags“. fle




